Programm 2023

Was bewegt Hebammen in ihrem Alltag? Wie wirken sich Krieg, Krisen und Klimawandel auf ihre tägliche Arbeit aus? Die Welt wird immer komplexer, Wissen wird immer komplexer. Doch wie bleibt man ausreichend informiert?

Digitalisierung und KI können unterstützen – aber wo sind die Grenzen? Die Pandemie hat vieles in Gang gesetzt und bestimmt bis heute den öffentlichen Diskurs und die Versorgung im deutschen Gesundheitswesen. Mit Folgen auch für die Geburtshilfe.

Der 17. Deutsche Hebammenkongress greift diese Themen auf und bietet mit seinem vielfältigen Fortbildungsprogramm einen breiten Überblick über aktuelle Entwicklungen auf dem Gebiet der geburtshilflichen Versorgung in Deutschland.

Mit dem Veranstaltungsort Berlin richtet der DHV bewusst den Fokus auf seine berufspolitische Arbeit. Auf der Agenda stehen Gesetzesinitiativen, aktuelle Befassungen wie beispielsweise zur Digitalisierung, aber auch diverse gesellschaftsrelevante Themen. Im Zentrum aber steht wie gewohnt die originäre, tägliche Hebammenarbeit. Was zeichnet sie aus? Welchen Herausforderungen steht sie aktuell gegenüber und was wird die Arbeit der Kolleginnen in Zukunft bestimmen? 

Unser Programm steht. Über den Button „Zum Programm“ gelangen Sie direkt in unser Kongress-Portal, in dem Sie sich alle Inhalte ansehen und sich ihr individuelles Programm zusammen stellen können. Wir wünschen schon jetzt viel Spaß dabei!

Praxisnah, interprofessionell und international - unsere Handlungsfelder

Hebammenarbeit umfasst ein breites Spektrum an Angeboten. Sie wird beeinflusst von Gesellschaft, Politik und Zeitgeist sowie der Selbstwahrnehmung.
Mit fünf Handlungsfeldern und einem Forschungsforum bietet der DHV den thematischen Rahmen für den Kongress und Impulse fürs Weiterdenken.

Hebammenarbeit in der Praxis

Was zeichnet gute Hebammenarbeit aus? Welche Anforderungen ergeben sich für Hebammen im Versorgungsalltag und was macht eine menschenzentrierte, individuelle Betreuung aus? Vorgestellt werden Best-Practice-Modelle aus dem gesamten Betreuungsbogen. In den Workshops und Seminaren werden Methoden aufgezeigt, die sich auf evidenzbasiertes und erfahrungsgeneriertes Wissen stützen und die breite fachliche Kompetenz von Hebammen abbilden.

 

Hebammen in der Gesellschaft

Der Hebammenberuf ist ein Heilberuf. Hebammen dienen der Gesundheit des einzelnen Menschen und sind vor allem dem Erhalt der Gesundheit verpflichtet. Daraus erheben sie den Anspruch, dass ihr Stellenwert als Expertinnen* in Politik und Gesellschaft gesehen und anerkannt wird. Das Ziel von Hebammen ist es, ein gutes Geburtserlebnis zu ermöglichen.

Alle Themen, die unsere Gesellschaft betreffen, betreffen mittelbar oder unmittelbar die Hebammen selbst. Ist Hebammenarbeit feministisch? Arbeiten Hebammen rassismuskritisch und sind sie sensibel für Diskriminierung? Welche Haltung nehmen sie zu den Folgen der Klimakrise ein? Das Handlungsfeld setzt sich mit aktuellen Fragestellungen unserer Gesellschaft auseinander und verdeutlicht die gesamte soziokulturelle Dimension, in der Hebammenarbeit stattfindet.

 

Möglichkeiten und Chancen in der Hebammenarbeit

Im Rahmen seines »Zukunftsforums« hat sich der DHV mit den Herausforderungen des Hebammenberufs auseinandergesetzt. Dabei geht es um Entwicklungen im Spiegel gesellschaftlicher Ver- änderungen und um die Anforderungen, die sich perspektivisch daraus für den DHV ergeben. Digitalisierung, Fachkräftemangel und Akademisierung sind nur einige Beispiele, die zu nennen sind. Welche strategischen Ziele und Aufgaben ergeben sich für den DHV, damit politische Einflussnahme wirkungsvoll gelingen kann? Bei diesem Handlungsfeld geht es um die Zukunft der Hebammenbildung, Austausch und gemeinsame Denkanstöße.

Interprofessionalität in der Hebammenarbeit

Die Versorgung von Frauen und ihren Neugeborenen rund um die Geburt stellt Hebammen, Ärztinnen* und andere Berufsgruppen vor komplexe Anforderungen. Für eine optimale, bedarfsgerechte Betreu- ung ist deshalb ein gutes Zusammenspiel aller Akteurinnen* wichtig. Von Synergien und gegenseitigem Wissensaustausch profitieren- Schwangere, Mütter und Kinder. Anhand ausgewählter Modelle und Konzepte aus der Praxis wird in diesem Handlungsfeld dargestellt, wie berufsgruppenübergreifende Zusammenarbeit erfolgreich umgesetzt werden kann.

Internationale Hebammenarbeit. Der DHV ist Mitglied in der International Confederation of Midwives

(ICM) und der European Midwives Association (EMA). Beide Organi- sationen setzen sich für eine bessere Hebammenarbeit, Standards in der Ausbildung und eine Teilhabe an gesundheitspolitischen Entscheidungen weltweit ein. Ziel ist es, jeder Schwangeren und Gebärenden den Zugang zur Versorgung durch eine Hebamme zu ermöglichen. Dieses Handlungsfeld beschäftigt sich mit den Her- ausforderungen, die sich daraus ergeben und öffnet den Blick dafür, wie Klimakrise, Flucht und Krieg mittelbar und unmittelbar auf die internationale Arbeit des DHV einwirken.

Forschungsforum

Aus dem ehemaligen Forschungsworkshop – 2019 noch Vorkongress – wurde das Forschungsforum. Hier wird (Nachwuchs-)Forscherinnen* eine Plattform zur Präsentation der Ergebnisse aus ihren Abschlussarbeiten geboten. Die eingereichten Abstracts durchlaufen ein Peer Review-Verfahren. In zwei Fachforen und im Rahmen einer
Posterausstellung werden sechs Vorträge und elf Poster vorgestellt.

Die Fachforen finden am 16. Mai um 9 und 13 Uhr statt.

Posterpräsentationen

Wissenschaftliche Poster sind in der Forschung ein beliebtes Mittel, um wesentlichen Fragestellungen nachzugehen und einen Extrakt der Ergebnisse zu präsentieren. Auch zum 17. Deutschen Hebammenkongress bringen eine Reihe von Wissenschaftler*innen, Hebammenstudent*innen und Kolleg*innen aus der Praxis damit eine große Bandbreite an Themen auf den Punkt. Insgesamt werden 34 Poster mit einer Fülle an Informationen aus Praxis und Theorie rund um das berufliche Handeln von Hebammen vorgestellt.

Im Folgenden finden Sie hier bereits die Abstracts zu den Postern.

Handlungsfeld: 1. Forschungsforum
Präsentierende Person: Lisa Keil-Reppmann, Berlin
Autor*innen: L. Keil-Reppmann

Zielsetzung
Rassistische Diskriminierung kann sich über verschiedene Ebenen negativ auf die Gesundheit auswirken. Es gibt in der internationalen Literatur Hinweise darauf, dass Rassismus in der Geburtshilfe zu verschlechterten maternalen und neonatalen Outcomes bezüglich diverser Parameter führt. In Deutschland gibt keine systematischen Untersuchungen, die sich mit rassistischer Diskriminierung und rassistischen Einstellungen beim medizinischen Personal befassen. Das Ziel der Forschungsarbeit war es, erste Einblicke in die Thematik zu ermöglichen und die relevanten Diskurse im Hebammenhandeln zu eruieren. Hierzu sollte die leitende Forschungsfrage: „Welches rassistische Wissen und welche rassistischen Strukturen bestehen im Kontext der geburtshilflichen Versorgung und inwiefern wirken sich diese auf die handelnden Personen und die Betreuung der Gebärenden aus?“ beantwortet werden.

Methode

Um die verdeckten Verästelungen rassistischer Wirkweisen zu erforschen, wurde sich für die Methode der Expert*inneninterviews entschieden. Mittels purposive Sampling (kriterienorientiert) wurden Interviewpartner*innen mit folgenden Einschlusskriterien rekrutiert: seit mindestens einem Jahr examinierte Hebamme und innerhalb der letzten zwei Jahre berufliche als Hebamme im Kreißsaal. Es ergab sich eine Stichprobe von fünf Hebammen (aus ganz Deutschland, 3-15 Jahre Berufserfahrung, tätig in unterschiedlichen Anstellungen). Die Interviews wurden aufgezeichnet, anonymisiert und transkribiert. Eine ausführliche Datenschutzaufklärung und Einverständnis erfolgte und ein positives Ethikvotum der Ethikkommission der Universität Bielefeld wurde zuvor eingeholt. Die Interviews wurden anschließend mittels der strukturierenden Inhaltsanalyse nach Gläser und Laudel ausgewertet.

Ergebnisse

Das rassistische Wissen, das in der geburtshilflichen Versorgung besteht, zeigt sich so vor allem in Rassismus gegen Schwarze Menschen, antimuslimischem Rassismus, Antiromanismus und antiasiatischem Rassismus. Rassismus konnte auf interaktionaler, institutioneller und struktureller Ebene von den Expert*innen beobachtet werden. In verschiedenen Kliniken, in unterschiedlichen Regionen Deutschlands und von Expert*innen mit unterschiedlicher praktischer Erfahrung wurden die gleichen Zuschreibungen und Gruppierungsmechanismen beschrieben, sodass davon auszugehen ist, dass das rassistische Wissen als implizites Wissen auch im Rahmen des professionellen Wirkens produziert und reproduziert wird.
Diese Diskurse und Strukturen scheinen sich auch negativ auf die quantitative und qualitative Betreuung auszuwirken. Dies zeigt sich zum Beispiel durch das Angebot an schmerzlindernden Maßnahmen, das die Betroffenen erhalten, die Zeit, die die Hebammen im Kreißsaal mit den Betreuten verbringen und die Empathie, die die Hebammen den Betreuten entgegenbringen.

Zusammenfassung

Es scheinen zahlreiche rassistische Diskurse im Rahmen der geburtshilflichen Versorgung präsent und wirksam zu sein. Diese wirkten sich auf die Betreuung aus, so dass die betroffenen Frauen schlechter versorgt werden. Weitere Forschung, auch des Erlebens der Betroffenen, ist unabdingbar und dringend nötig.

Handlungsfeld: 3. Hebammenarbeit in der Praxis
Präsentierende Person: Antonia Göggerle-Locher, Ravensburg (DE)
Autor*innen: A. Göggerle-Locher

Hintergrund:
Ein positives Geburtserleben korreliert mit positiven kurz-, mittel- und langfristigen perinatalen Outcomes. Bisher wurden nur wenig Primärdaten zum Thema Geburtserleben im Zusammenhang mit der Wahrnehmung der Mutter-Hebamme-Beziehung erhoben und quantitativ analysiert.

Ziel:
Analyse des Zusammenhangs des subjektiven Geburtserlebens beim ersten Kind mit der intrapartalen Mutter-Hebamme-Beziehung.

Methode:
Primärdatenanalyse der online-Umfrage Daten von 401 Wöchnerinnen aus Deutschland. Die Analyse möglicher Prädiktoren des Geburtserlebens erfolgte mittels logistischer Regression, die Stärke des Zusammenhangs mittels Odds Ratios mit 95% Konfidenzintervall.

Ergebnisse:
Zentrale Prädiktoren eines positiven Geburtserlebens waren eine interventionsarme Geburt (OR 4,12; 95% KI 1,44–11.81), eine vertrauensvolle Hebammenbeziehung (OR: 1.61; 95% KI 1.25-2.07), mehr Mitbestimmung während des Geburtsprozesses als erwartet (OR: 1.32; 95% KI 1.04-1.68), weniger Geburtsschmerzen als erwartet (OR: 1.59; 95% KI 1.28-1.97) und keine Angst vor der Geburt (OR: 1.32; 95% KI 0,68-2,64).

Schlussfolgerung:
Eine vertrauensvolle Mutter-Hebamme-Beziehung und eine möglichst interventionsarme Geburtshilfe sind Schlüsseldimensionen für das Geburtserleben von Erstgebärenden. Es braucht mehr Forschung zur Entwicklung von Handlungsleitlinien, welche respekt- und vertrauensvolle Beziehungen zu den Gebärenden fördern.
Schlüsselwörter: Geburtserleben, kontinuierliche Betreuung, intrapartale Betreuung, Autonomie in der Geburt, Geburtsangst

Handlungsfeld: 3. Hebammenarbeit in der Praxis
Präsentierende Person: Dorothee Möller, Berlin (DE)
Autor*innen: D. Möller

Problemstellung:
Hebammen bieten mit der Wochenbettbetreuung eine sehr gut etablierte und niedrigschwellige Leistung effizient und effektiv an. Momentan ist jedoch die Arbeitsbelastung für Hebammen, die in der Wochenbettbetreuung tätig sind, im Verhältnis zum erzielbaren Einkommen hoch, so dass Hebammen diesen Bereich ihrer Tätigkeit immer mehr einschränken, was zu einem Versorgungsmangel führt.

Stand der Forschung:
Bei der (Weiter-)Entwicklung der professionellen Wochenbettbetreuung kam es zu einer Ausweitung des originären Leistungsspektrums von Hebammenarbeit um die Schwerpunkte der psychosozialen und beratenden Tätigkeiten.

Forschungslücke:
Es fehlen jedoch empirische Daten über die Dauer und Anteile der Schwerpunkte an einem Wochenbettbesuch und der professionelle Bindungsaufbau fand bisher keinen Eingang in die Tätigkeitsschwerpunkte. Forschungsfrage: Um herauszufinden, wie lang tatsächlich ein durchschnittlicher Wochenbettbesuch dauert und wieviel Anteil auf originäre Hebammenarbeit und wieviel auf die psychosozialen und beratenden Anteile und den professionellen Bindungsaufbau entfällt, wurde in einem quantitativen Ansatz eine Hebammenbefragung durchgeführt. Mit dem Ziel va-lide Daten über die Dauer und Anteile der Handlungsschwerpunkte an einem Wochenbettbesuch zu erheben.

Zentrales Ergebnis:
Mit der Erkenntnis, dass ein Wochenbett im Mittel 47 Minuten dauert und rd. 50% der Tätigkeiten zu den in der Leistungsbeschreibung aufgeführten originären Hebammentätigkeiten gehören, lässt das den Schluss zu, dass Hebammen die Hälfte ihrer Arbeit(szeit) in der Wochenbettbetreuung unentgeltlich leisten. Auch der professionelle Bindungsaufbau, der einen Anteil von rd. 8% an einem Wochenbettbesuch inne hat, findet sich weder in der Leis-tungsbeschreibung noch in der Vergütung wieder. Durch die pauschale Vergütung eines Wochenbettbesuchs ohne Berücksichtigung des zeitlichen Faktors kam es durch die Ausweitung des Leistungsspektrums und damit auch die Ausweitung der Besuchsdauer zu einem Missverhältnis, das die Wochenbettbetreuung für Hebammen unrentabel werden ließ.

Handlungsfeld: 3. Hebammenarbeit in der Praxis
Präsentierende Person: Oda von Rahden, Oldenburg (DE)
Autor*innen: O. von Rahden; F. Koppelin; C. Jeltsch

Hintergrund:
International hat sich die Unterteilung der Eröffnungsphase der Geburt in die Latenzphase und die aktive Eröffnungsphase etabliert. Auch in Deutschland setzt sich diese Unterteilung zunehmend durch. Mehr als die Hälfte der Frauen sucht bereits während der Latenzphase die Geburtsklinik auf (IQTIG, 2018), weil sie bereits in dieser frühen Geburtsphase professionelle Unterstützung benötigen (Carlsson, 2016). Es ist zu vermuten, dass jedoch nicht allein vom geburtshilflichen Befund und dem Betreuungsbedarf der Schwangeren abhängt, ob eine stationäre Weiterbehandlung oder Entlassung nach Hause erfolgt. Weitere Faktoren wie zum Beispiel personelle und räumliche Kapazitäten fließen möglicherweise ebenso in die Entscheidung ein. So zeigen Studien, dass ein frühzeitiger Betreuungsbeginn in der Latenzphase mit einem vermehrten Einsatz von Interventionen und operativen Entbindungen einhergeht (Tilden et al., 2020). Demgegenüber stellt eine Entlassung nach Hause bei schmerzhafter Wehentätigkeit eine Unterversorgung dar (Janssen et al., 2009). Die S3-Leitlinie Vaginale Geburt am Termin greift diese Problematik mit ihren Empfehlungen zur allgemeinen Betreuung auf.

Fragestellung:
Dieses Projekt geht der Frage nach, ob und wenn ja, in welcher Form die Empfehlungen zur Latenzphase der S3-Leitlinie Vaginale Geburt am Termin bei Hebammen und Geburtshelfer_innen Akzeptanz finden und auch praktisch Einzug in die klinische geburtshilfliche Versorgungspraxis erfahren. Vertiefend wird untersucht, ob der Hebammenmangel und die klinischen Beschränkungen (Coxon et al., 2020) aufgrund der COVID-19-Pandemie Auswirkungen auf die geburtshilfliche Versorgung während der Latenzphase haben. Im Rahmen des Vortrages sollen das Studiendesign und erste Ergebnisse der Analyse der Geburtsakten vorgestellt werden.

Methoden
Die Studie verfolgt einen Mixed-Methods-Ansatz. Mittels retrospektiver Analyse von Geburtsakten verschiedener Kliniken unterschiedlichen Levels werden die Diagnose- und Entscheidungsfindung bezüglich der Behandlungsoptionen in der Latenzphase untersucht.

Ergebnisse
Die Studie liefert weiterführende Erkenntnisse zur klinischen Behandlung von Frauen in der Latenzphase. Es wird ermittelt, ob und in welcher Weise die Empfehlungen der S3-Leitlinie Vaginale Geburt am Termin umgesetzt werden und welche weiteren Faktoren die Betreuung und Behandlung beeinflussen.

Handlungsfeld: 3. Hebammenarbeit in der Praxis
Präsentierende Person: Myriam Holm, Neuhausen (DE)
Autor*innen: M. Holm

Hintergrund:
Systemische Opioide werden seit Jahrzehnten zur Wehenanalgesie eingesetzt. Ihre Wirkungen und Nebenwirkungen sind regelmäßig Bestandteil von Untersuchungen und Diskussionen. Als gesichert gilt, dass systemische Opioide mit ungenügender Schmerzbekämpfung und hoher Nebenwirkungsrate einhergehen. Wechselwirkungen mit weiteren Medikamenten werden wenig thematisiert. Aktuell empfiehlt die S3-Leitline „Vaginale Geburt am Termin“ Opioide nur überbrückend einzusetzen, bzw. Remifentanil zu nutzen. Die Anwendung von Opioiden als vorbehaltene ärztliche Tätigkeit wird subpartu regelmäßig an Hebammen delegiert. Lt. Kompetenzprofil des DHV verfügen Hebammen über Fachwissen in Pharmakologie. Die Hebamme muss mit Wirkungen, Nebenwirkungen, Wechselwirkungen, Dosierung, Verabreichungsweg des Medikaments vertraut sein. Zur Wehenanalgesie mit Opioiden zeigt sich in kollegialen Gesprächen ein geteiltes, mehr durch subjektive Erfahrung als durch Evidenz geprägtes Wissensbild.

Ziel:
Darstellung der aktuellen Evidenz zu Nutzen und Risiko von Opioiden subpartu, um für Hebammen vorhandenes Wissen zu aktualisieren und zu ergänzen.

Methode:
Systematische Datenbankrecherchen im Mai 2021.

Ergebnis:
Opioide sind zur Wehenanalgesie kaum geeignet. Die Schmerzintensität am Wehenhöhepunkt erfordert hohe Dosierungen, die in Wehenpausen zu Sedierung und Atemdepression führen. Opioide passieren Plazenta und fetales ZNS und reichern sich mehr im Feten als in der Mutter an. Unterschiedliche Opioidsubstanzen können gemäß ihrer spezifischen Halbwertzeit erwogen und im entsprechenden Abstand vor Geburt eingesetzt werden. Die Schmerzlinderung bleibt meist insuffizient. Pethidin (Dolantin®) wird nicht empfohlen. Seine mehrfach verlängerte fetale Metabolisierung mit Anfall des bis zu 3 Tage wirksamen Metaboliten Norpethidin führt zu langanhaltender kindlicher Sedierung postpartal. Norpethidin kann nicht mit Naloxon antagonisiert werden.
Remifentanil ist stark analgetisch, wird innerhalb von Minuten metabolisiert und kann so bis kurz vor Geburt verwendet werden. Es bietet weniger kindliche Risiken, allerdings ein sehr hohes Risiko für mütterliche Apnoen bei unsachgemäßer Verwendung. Die Anwendung ist an hohe personelle und technische Vorgaben geknüpft.
Weitere Medikationen wie Lachgas, Antiemetika oder Sedativa führen zu einer Verstärkung der Sedierung. Dimenhydrinat (Vomex®) ist plazentagängig und darf wegen Intoxikationsgefahr nicht für Kinder unter 6kg KG angewendet werden. Diazepam (Valium®) und seine aktiven Metabolite passieren die Plazentaschranke und akkumulieren auf fetaler Seite bis zum 3fachen der maternalen Serumkonzentration. Bis 4 Tage postpartum treten ernsthafte kindliche Sedierungen und Nebenwirkungen auf.

Zusammenfassung:
Die in der Geburtshilfe üblichen langwirksame Opioide sind zur Linderung von Wehenschmerzen nicht potent genug und führen zu längerfristigen kindlichen Anpassungsproblemen postpartum. Nichtanalgetische Begleitmedikationen wie Dimenhydrinat und Diazepam sedieren Neugeborene ebenfalls längerfristig. Auswirkungen sind Stillprobleme, Hypothermie und Hyperbilirubinämie. Der Einsatz dieser Medikamente im Geburtszeitraum muss wohlüberlegt sein.

Handlungsfeld: 6. Möglichkeiten und Chancen in der Hebammenarbeit
Präsentierende Person: Sabine Scholz-de Wall, Hannover (DE)
Autor*innen: A.Mazhari; F. Lindemann; S. Scholz-de Wall

Hintergrund:
Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett sowie das erste Lebensjahr eines Kindes stellen eine sensible Lebensphase von Frauen und Familien dar. Eine individuelle und selbstbestimmte Betreuung durch Hebammen und/oder Frauenärzt*innen sowie das Vorhandensein von gesundheitsförderlichen Rahmenbedingungen sind elementar wichtig, um Frauen und ihren Familien einen guten und gesunden Start in diesen neuen Lebensabschnitt zu ermöglichen. Der stetig zunehmende Fachkräftemangel (Stahl, 2016) sowie Schließungen von Geburtshilfeeinrichtungen bei gleichzeitig ansteigenden Geburtenzahlen führen zu Versorgungsengpässen in der geburtshilflichen Betreuung. Anfang 2017 wurde auf Bundesebene das nationale Gesundheitsziel „Gesundheit rund um die Geburt“ definiert (Altgeld et al., 2020). Gesundheitsziele verstehen sich generell als Grundlagenpapiere, deren praktische Umsetzung insbesondere auf Länderebene initiiert wird. Eine Vielzahl von Gutachten erfasste die Ist-Situation der geburtshilflichen Versorgung und gibt Handlungsempfehlungen zur Lösung der aufgedeckten Probleme.
Zielsetzung
Vorstellung des Gesundheitsziels Gesundheit rund um die Geburt unter Bezugnahme auf § 24d&f SGB V und Zusammenfassung von Gutachten auf Länder- und Bundesebene zur Erfassung der Ist-Situation der geburtshilflichen Versorgung und daraus formulierten Handlungsempfehlungen.
Methode
Inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Gesundheitsziel Gesundheit rund um die Geburt und der aus § 24d&f SGB V abzuleitenden Ansprüche für Schwangere sowie Sichtung von neun Gutachten und einem Enquetebericht auf Länderebene und des Gutachtens des Bundesministeriums für Gesundheit.
Ergebnisse
Das Gesundheitsziel Gesundheit rund um die Geburt formuliert fünf Teilziele, die für (werdende) Eltern die Voraussetzungen für einen physiologischen Schwangerschaftsverlauf, eine gute Geburt und einen gesunden Start ins Familienleben schaffen sollen. Auf Bundesebene wird das Erreichen dieser Ziele erschwert durch nicht kostendeckend konzipierte Diagnosis Related Groups (DRG) der physiologischen Geburt, unzureichend ausgelegten Stellenplänen für eine 1:1-Betreuung sowie die als nicht angemessen empfundene Bezahlung durch Tarifverträge. In den Gutachten werden Handlungsoptionen vorgestellt, die zur Steigerung der Arbeitszufriedenheit bei Hebammen und Frauenärzt*innen führen sollen. Arbeitszufriedenheit wird als Grundvoraussetzung für die Bereitschaft zur Erhöhung der Wochenarbeitszeit, eine längere Verweildauer im Beruf bzw. die Motivation für Berufsaussteigerinnen für eine Rückkehr in das klinische Arbeitsumfeld betrachtet.
Zusammenfassung
Das Erreichen der im Gesundheitsziel Gesundheit rund um die Geburt formulierten Teilziele kann dauerhaft nur gelingen, wenn zunächst die zentralen Hemmnisse (DRG, Stellenplanung, Tarifvertrag) angemessen bearbeitet werden. Ansonsten werden weitere Abteilungsschließungen aufgrund von Finanzierungslücken und Personalmangel erfolgen und alle in den Gutachten empfohlenen Handlungsoptionen zur Verbesserung der Arbeitszufriedenheit können langfristig keine Wirkung zeigen.

Handlungsfeld: 5. Interprofessionalität in der Hebammenarbeit
Präsentierende Person: Anna-Lena Mazhari, Hannover (DE)
Autor*innen: A. Mazhari; S. Scholz-de Wall; F. Lindemann

Hintergrund:
Anfang 2017 wurde auf Bundesebene das nationale Gesundheitsziel „Gesundheit rund um die Geburt“ definiert (Altgeld et al., 2020). Gesundheitsziele verstehen sich als Grundlagenpapiere, deren praktische Umsetzung insbesondere auf Länderebene initiiert wird. Seit November 2015 gibt es in Niedersachsen Initiativen zur Verbesserung der geburtshilflichen Versorgungssituation. Das Aktionsbündnis „Gesundheit rund um die Geburt“ forderte einen landesweiten Aktionsplan, um den bestehenden Versorgungsengpässen in der geburtshilflichen Betreuung entgegenzuwirken. Zur Erfüllung dieser komplexen Aufgabe wurde im Januar 2022 das Aktionsbüro Gesundheit rund um die Geburt Niedersachsen ins Leben gerufen. Das zunächst auf zwei Jahre befristete Projekt wird vom Land Niedersachsen gefördert und ist unter dem Dach der Landesvereinigung für Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen e.V. verortet.

Zielsetzung:

Einblick in die Entstehungsgeschichte des Aktionsbüros Gesundheit rund um die Geburt in Niedersachsen und Vorstellung der Ziele und Maßnahmenpakete.

Methode:
Beschreibung der Umsetzung des nationalen Gesundheitsziels Gesundheit rund um die Geburt im Bundesland Niedersachsen durch das Projekt Aktionsbüro Gesundheit rund um die Geburt in Niedersachsen.

Ergebnisse:
Maßgeblich ausgehend vom Gesundheitsziel Gesundheit rund um die Geburt und den Handlungsempfehlungen des Enquete-Berichtes des Landes Niedersachsen wurde das Projektkonzept für das Aktionsbüro Gesundheit rund um die Geburt in Niedersachsen entwickelt. Hauptziel ist die Stärkung der Geburtshilfe, um zum einen für Eltern eine individuelle und sichere Betreuung und zum anderen Hebammen und Ärzt*innen gute Arbeitsbedingungen zu gewährleisten. Insbesondere durch die Arbeit am Runden Tisch Geburtshilfe unter dem Dach des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung wird mit interdisziplinärer Expertise, koordiniert durch das Aktionsbüro, am Erreichen dieser Ziele gearbeitet. Netzwerk- und Öffentlichkeitsarbeit sowie Fortbildungsangebote des Aktionsbüros unterstützen diesen Prozess. Auf Bundesebene ist es darüber hinaus erforderlich, die Finanzierung der physiologischen Geburt kostendeckend zu gestalten, durch entsprechend konzipierte Stellenpläne die 1:1-Betreuung zu ermöglichen und für eine tarifrechtlich verankerte angemessene Bezahlung zu sorgen. Diese Faktoren sind Grundvoraussetzungen für eine langfristig verbesserte Versorgungssituation sowie die Arbeitszufriedenheit in der Berufsgruppe der Hebammen und Frauenärzt*innen.

Zusammenfassung:
Die Arbeit des Aktionsbüros Gesundheit rund um die Geburt in Niedersachsen und das Erreichen der im Gesundheitsziel formulierten Teilziele ist eine gesellschaftlich wichtige, vielfältige und sehr komplexe Aufgabe, deren vollumfängliche Erfüllung in der vorgegebenen Projektlaufzeit allerdings unrealistisch ist. Zudem müssen auf Landesebene ausreichend finanzielle Mittel bereitgestellt und auf Bundesebene zentrale Hemmnisse (DRG, Stellenplanung, Tarifvertrag) angemessen bearbeitet werden, damit die Bemühungen des Aktionsbüros und des Runden Tisches Geburtshilfe langfristig Wirkung zeigen können.

Forschungsforum
Handlungsfeld: 1. Forschungsforum
Präsentierende Person: Lucia Heinrich, Waldburg (DE)
Autor*innen: L. Heinrich; C. Wolf

Hintergrund:
Brustkrebs ist weltweit die häufigste Krebsart bei Frauen. Dabei korreliert das Risiko einer Brustkrebserkrankung bei zunehmendem Alter mit dem steigenden Altersdurchschnitt von Frauen bei der Geburt eines Kindes. Frauen unter 45 Jahren, die eine Brustkrebserkrankung und -therapie überstanden haben, bilden eine große Gruppe mit dem möglichen Interesse einer Familiengründung und -erweiterung. Hebammen, die in der Stillberatung auf diese Frauen treffen, benötigen spezifisches Fachwissen, welches nicht Bestandteil von Hebammenausbildung und -studium ist.

Ziel:
Herausarbeiten von Faktoren, die das Stillen nach einer Brustkrebserkrankung beeinflussen sowie Erstellung einer Handlungsempfehlung für die Stillberatung.

Methode:
Als Grundlage diente eine systematische, sensitive Datenbankrecherche im März 2022. Sieben Studien wurden nach dem „Critical Appraisal Skills Programme“ ausgewertet. Die geringe Anzahl vorliegender Studien zum Thema und fehlende Studien aus dem deutschsprachigen Raum zeigen den gegebenen Forschungsbedarf an.

Ergebnis:
Im Ergebnis zeigt sich, dass Stillen nach einer Brustkrebserkrankung von physischen, psychischen und sozialen Faktoren beeinflusst wird. Diese werden in der Arbeit tabellarisch dar-gestellt und lassen sich in hemmende und unterstützende Aspekte unterscheiden. Stillen ist in vielen Fällen, wenn auch teilweise nur unilateral möglich. Maßgeblichen Einfluss nimmt die Art der operativen Therapie sowie eine durchgeführte Strahlentherapie, abhängig vom zentralen Bestrahlungsgebiet und Strahlendosis. Beratungsgrundlage in der Stillberatung bei Frau-en nach Brustkrebs ist somit die individuelle Brustkrebsanamnese der Frau. Dies erfordert multidisziplinäres, evidenzbasiertes Wissen der Beratenden. Für eine informierte Stillentscheidung der Frau ist eine an ihren Ressourcen orientierte und evidenzbasierte Stillberatung und gezielte Unterstützung in der Schwangerschaft, direkt nach der Geburt und in der Stillzeit notwendig. Die bei jungen Müttern nach einer Brustkrebserkrankung stark ausgeprägten Ängste vor der Rückkehr des Krebses, sind zu beachten. Die Mutter-Kind-Bindung ist vor der Geburt bei Schwangeren nach einer Brustkrebserkrankung weniger ausgeprägt. Hier kann Stillen den Aufbau dieser Bindung nach der Geburt unterstützen. Frauen nach Brustkrebs profitieren vom Stillen auch in Bezug auf die Aufarbeitung ihrer Erkrankung in vielfältiger Weise und sollten zum Stillen ermutigt werden. Eine im Verlauf der Arbeit ausgearbeitete, schematische Darstellung der Handlungsempfehlung zur Stillberatung nach Brustkrebs, zeigt die Zeitpunkte der Stillberatung und die jeweiligen wesentlichen Inhalte übersichtlich auf. Sie kann in der Praxis als Grundlage zur Ausarbeitung eines Standards in der Stillberatung von Frauen nach einer Brustkrebserkrankung und -therapie dienen. Auch ein Einbezug der Thematik in die Leitlinie zur Früherkennung, Diagnostik und Therapie des Mammakarzinoms erscheint sinnvoll. Das Thema „Stillen nach Brustkrebs“ eröffnet interdisziplinäre Forschungsperspektiven, die sowohl Medizin als auch Hebammenwissenschaften ansprechen.

Handlungsfeld: 6. Möglichkeiten und Chancen in der Hebammenarbeit
Präsentierende Person: Sarah Bernhardt, Berlin (DE)
Autor*innen: S. Bernhardt; D. Rietzke; M. Grieshop

Hintergrund:
Der fach- und mediendidaktische Diskurs in der jungen Disziplin der Hebammenwissenschaft ist trotz Akademisierung und zunehmender Professionalisierung des Hebammenberufs nur rudimentär angelegt (Grieshop, 2021). So stehen trotz pandemiebedingter Dynamisierung der Digitalisierung im Lehren und Lernen im Studium von Hebammen nur wenige Kenntnisse über Anforderungen an hebammenwissenschaftliche Lehr-Lernvideos zur Verfügung, die einer frau*zentrierten, gesundheitsfördernden und interventionsarmen Geburtshilfe entsprechen. Vor diesem Hintergrund wurde an der Evangelischen Hochschule Berlin (EHB) im Rahmen des Drittmittelprojekts PoDiZ – Potentiale der Digitalisierung nutzen. Zukunftsfähige EHB., gefördert von der Stiftung Innovation in der Hochschullehre, eine empirische Untersuchung zur Erstellung von Lehr-Lernvideos im Studium von Hebammen durchgeführt. Dabei sollte der Frage nachgegangen werden, welche Qualitätskriterien für Lehr-Lernvideos im Studium von Hebammen relevant sind.

Methodik:
Im Rahmen einer qualitativen Erhebung wurden mittels Expert:innendiskussion nach Bohnsack und Przyborski (2007) Qualitätskriterien für die Erstellung von Lehr-Lernvideos im Studium von Hebammen identifiziert. Durch die Teilnahme von Vertreterinnen aus Hebammenwissenschaft und Praxis (n=4) konnte verschiedene fachliche Perspektiven abgebildet werden. Dabei wurde dem Prinzip der „Forschung als Kommunikation und Kooperation zwischen Forschenden und Beforschten“ (Döring & Bortz, 2016) gefolgt. Die Datenauswertung erfolgte anhand der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring(2022). Die Auswertungskategorien wurden deduktiv erstellt.

Ergebnisse:
Mit der vorliegenden Untersuchung wurden erstmalig vierzehn Qualitätskriterien für Lehr-Lernvideos im Studium von Hebammen generiert. Diese konnten den zwei Kategorien didaktischer Rahmen für die Erstellung von Lehr-/Lernvideos im Studium von Hebammen (K1) und Reduktion des Intrinsic und Extraneous Load (K2) zugeordnet werden. Kategorie K1 umfasst neun Qualitätskriterien, die den pädagogisch-didaktischen Rahmen zur Erstellung von Lehr-/Lernvideos im Studium von Hebammen betreffen. In Kategorie K2 wurden fünf Faktoren subsumiert, die dazu beitragen, dass die Arbeitslast, die sowohl aus dem Inhalt (Intrinsic Cognitive Load) als auch aus der Gestaltung des Lehr-Lernvideos resultiert (Extraneous Cognitive Load) möglichst geringgehalten wird.

Fazit und Ausblick:
Mit der vorliegenden Untersuchung wurden erste Erkenntnisse über Qualitätsanforderungen an Lehr-Lernvideos im Studium von Hebammen gewonnen. Damit wird die fach- und mediendidaktische Diskussion in der Hebammenwissenschaft unter dem Fokus der Digitalisierung angereichert. Basierend auf den Kompetenzen von Hebammen gemäß HebStPrV (2020) ist anzunehmen, dass die Nutzung digitaler Lernmedien über die Primärqualifikation hinaus auch für die gesundheitsedukative Arbeit der zukünftigen Hebammen von Relevanz ist. Daher wird empfohlen, die qualitätsorientierte Entwicklung digitaler Lernmedien im Studium von Hebammen weiter voranzutreiben. Dabei sollten auch die Studierenden an die Erstellung von Lehr-Lernvideos der Hebammenwissenschaft herangeführt werden.

Handlungsfeld: 1. Forschungsforum
Präsentierende Person: Henrike Todorow, Leipzig (DE)
Autor*innen: H. Todorow

Hintergrund und Ziel
Mit Inkrafttreten des neuen Hebammengesetztes (Hebammengesetz vom 22. November 2019, BGBL. I S. 274) vollzieht sich in Deutschland eine umfassende und tiefgreifende Umgestaltung der Hebammenausbildung. An die Stelle der bisherigen berufsschulische Ausbildung tritt ein duales Studium. Wer zukünftig Hebamme werden möchte, studiert an einer Universität oder Fachhochschule. Dieser historische Veränderungsprozess bedeutet neben den strukturellen Änderungen, auch eine Neukonzeption der Curricula und damit der Art und Weise der theoretischen und praktischen Kompetenzentwicklung. Die beruflichen Handlungsfelder und der bisherige Kompetenzerwerb in der Ausbildung sind in Deutschland noch wenig untersucht. Die Autorin ist in ihrer Dissertation unter anderem der Frage nachgegangen, welche Kompetenzen Hebammen zukünftig im Handlungsfeld der Schwangerenvorsorge benötigen. Eine Möglichkeit, Kompetenzen didaktisch darzustellen, bietet das CanMEDS – Rollenkonzept (Royal College of Physicans and Surgeons of Canada, 2022). Dieses beschreibt, ursprünglich auf den ärztlichen Beruf bezogen, die Fähigkeiten und Fertigkeiten anhand von sieben beruflichen Rollen (Royal College of Physicans and Surgeons of Canada, 2022) und wurde von der Autorin als Grundlage der Systematisierung der Untersuchungsergebnisse eingesetzt.

Methoden:
Um die notwendigen Kompetenzen und Rollenverteilungen im Handlungsfeld Schwangerenvorsorge für die akademische Hebammenausbildung zu erschließen, wurden handlungsorientierte Fachinterviews mit Expert:innen geführt und mittels inhaltlich strukturierter Inhaltsanalyse (Kuckartz, 4. Auflage 2018) ausgewertet. Die Ergebnisse wurden quantitativ und qualitativ erfasst und in einem hebammenspezifischen CanMEDS – Rollenmodell dargestellt. Aus der Rollenbeschreibung wurden anhand der dafür notwendigen Fähigkeiten und Fertigkeiten Konsequenzen für die zukünftige Ausbildung gezogen.

Ergebnisse:
Als ein wesentliches Ergebnis der Untersuchung konnte festgestellt werden, dass die Darstellung von Hebammenarbeit im beruflichen Handlungsfeld Schwangerenvorsorge mit Hilfe des CanMEDS-Modells möglich ist. Die beruflichen Rollen können beschrieben werden und stellen eine mögliche Grundlage für die Erstellung eines Curriculums dar.

Diskussion:
Aus Sicht der Autorin weisen alle Rollen in der bisherigen Ausbildung Defizite auf und müssen zukünftig stärker entwickelt werden. Neben der Schwangerenvorsorge sollten alle beruflichen Handlungsfelder von Hebammen sollten hinsichtlich einer hebammenspezifischen Rollenbeschreibung untersucht und daraus Rückschlüsse für die akademische Hebammenausbildung gezogen werden. Die Ergebnisse können in die Entwicklung der hochschulischen Curricula einfließen.

Handlungsfeld: 1. Forschungsforum
Präsentierende Person: Nancy Stone, Berlin (DE)
Autor*innen: N. Stone; D. Tegethoff

Hintergrund:
In Deutschland umfasst die praktische Ausbildung zur Hebamme geburtshilfliche Einsätze, die hauptsächlich im klinischen Setting (Kreißsäle) stattfinden. Nach der staatlichen Berufszulassung können Hebammen die Arbeit in Geburtshäusern aufnehmen, ein Setting, in dem sie wenig bis keine Erfahrung haben.

Forschungsfrage:
Welche Fähigkeiten und Kenntnisse müssen Hebammen als Berufsanfänger*innen erwerben, um in einem Geburtshaus selbstständig zu arbeiten?

Methodologie:
Hermeneutische Phänomenologie
Sozialkonstruktivistische Methodologien, darunter die hermeneutische Phänomenologie, ermöglichen einen tieferen Blick darauf, „wer“ „was“ im Zusammenhang mit „wo“ wahrnimmt und erlebt. Wissen und Verständnis sind kontextspezifisch. Bei diesem interpretivistischen Ansatzes verbindet sich der Forscher mit den Forschungsteilnehmern und tritt in einen intimen Dialog ein. Dies erleichtert den Zugang zu den gelebten Erfahrungen und dem gelebten Verständnis des ForschungsteilnehmerInnen, um zu enthüllen, was verborgen wurde (Crowther & Thomson, 2020). Das Eintreten in die Dynamik von gelebten Erfahrungen und Wissenskonstruktion führt somit zu einem tieferen Verständnis (Hiller, 2016).

Vorläufige Ergebnisse aus den Fokusgruppen:
Fokusgruppen in 12 Geburtshäusern mit insgesamt 40 Hebammen haben ergeben, dass die neu qualifizierten Hebammen, die im Geburtshaus anfangen, folgende Kompetenzen erlernen bzw. erweitern müssen:

– Schwangerenvorsorge (insbesondere in der Frühschwangerschaft)
– Kommunikation (v.a. non-verbal)
– Teamarbeit in einer flachen Hierarchie
– Geburtsbetreuung ohne CTG (techn. Herztonüberwachung)
– Einschätzung von Neugeborenen

Die Hebammen in den Fokusgruppen haben auch mitgeteilt, dass das geburtshilfliche Basiswissen bei den neuen KollegInnen „sitzt“. Des weiteren können sie mit Anweisungen in Notfällen gut zu- und mitarbeiten.

Diskussion:
Die Einarbeitung dient dazu, ein Bild vom Ganzen zu vermitteln. Durch das Beobachten in den ersten Wochen der Einarbeitung, haben die Hebammen in den Fokusgruppen erzählt, dass die neuen Hebammen ein Bild vom Ganzen vermittelt werden. Staunen und Bewunderung tritt hervor. Die in der praktischen Ausbildung geübte Betreuung hat Angst und Misstrauen hinterlassen, die in der Einarbeitung reflektiert und aufgearbeitet werden kann Die Hebammen lernen, die Geburt, die Gebärende und das Ungeborene in ihrer Ganzheit zu erfassen.

Handlungsfeld: 6. Möglichkeiten und Chancen in der Hebammenarbeit
Präsentierende Person: Marie Strohauer, Berlin (DE)
Autor*innen: M.Strohauer; J. Leinweber

Hintergrund:
Die Sectiorate in Deutschland steigt stetig an und lag 2019 bei etwa 30%, diese Quote liegt deutlich über den von der WHO als medizinisch indiziert beschriebenen 15-19% Sectiorate. Eine höhere Sectiorate ist nicht mehr mit einer Verbesserung der Morbidität und Mortalität von Mutter und Kind verbunden. Eine sichere Möglichkeit die Sectiorate zu reduzieren ist notwendig, um die langfristige Gesundheit von Mutter und Kind zu verbessern. Die WHO empfiehlt die Robson Ten Classification um die Gruppe der Frauen mit Sectio besser analysieren zu können und überprüft werden, ob die Frauen mit geringen anamnestischen Risikofaktoren wesentlich zur Sectiorate beitragen.

Methode:
Mithilfe der Robson Ten Classification lassen sich die Gebärenden in 10 gegenseitig exklusive geburtshilflich relevante Gruppen einteilen. Die Robson Ten Classification wird genutzt, um die 16289 Geburten der letzten drei Jahre (2019-2021) zu gruppieren. Anschließend werden über SPSS die Prävalenz von Sectiones in den jeweiligen Gruppen, sowie deren Veränderungen beurteilt. Außerdem können so die Anteile an der Gesamtsectiorate berechnet werden. Weiterhin können Korrelationen, etwa mit der Einleitungsrate, untersucht werden. Es wird mit der 2012 in Canada modifizierten Variante der Robson Ten Classification gearbeitet.

Erwartete Ergebnisse:
Derzeitig liegen noch keine anschließenden Ergebnisse vor, da die Analyse der Daten noch nicht abgeschlossen ist. Da es sich bei der Universitätsklink Charité um ein Level 1 Haus handelt, kann eine hohe Anzahl von Sectiones bei Frühgeburtlichkeit erwartet werden. Entsprechend dem deutschen Trend kann zudem erwartet werden, dass abgebrochene Einleitungen stärker zur Sectiorate beitragen als vorausgegangene Sectiones. Unter der Berücksichtigung der multiplen sozialen und ökonomischen Gründe für eine steigende Sectiorate, werden die höchsten Sectioraten vermutlich im low-risk Kollektiv zu finden sein, etwa Robson Gruppe 1-3.

Handlungsfeld: 1. Forschungsforum
Präsentierende Person: Merle Ebinghaus, Hamburg (DE)
Autor*innen: M. Ebinghaus; B. Zyriax; C. Agricola

Hintergrund und Zielsetzung:
Eine durch orale Dysbiose beeinträchtigte Mundgesundheit in der Schwangerschaft erhöht das Risiko für negative Schwangerschaftsoutcomes, wie Präeklampsie, Frühgeburtlichkeit und Fehlgeburten[1]. Es kann daher von einem verminderten Risiko für nachteilige Geburtsoutcomes ausgegangen werden, wenn Frauen sich der Bedeutung von Ernährung und oraler Gesundheit in der Schwangerschaft bewusst sind. Dabei kann fachliche Unterstützung hinsichtlich der Ernährungsweise und Mundhygiene maßgeblich zu einer positiven Wahrnehmung der eigenen Kompetenz während der Schwangerschaft beitragen, wenn eine entsprechende Beratung von Seiten des Gesundheitspersonals erfolgt. Laut Mutterschafts-Richtlinien ist es in Deutschland Aufgabe der Hebammen und Frauenärzt:innen, Schwangere über Ernährung und Mundgesundheit aufzuklären, auch zum Zahnärzt:innenbesuch sollte geraten werden. Ziel dieser Arbeit ist, die Bedürfnisse und Wünsche von schwangeren Frauen hinsichtlich der interprofessionellen Zusammenarbeit und Aufklärung zu den Themen Ernährung und Mundgesundheit in der Schwangerschaft zu erfassen.

Methoden:
In dieser qualitativen Studie wurden in sechs Online-Fokusgruppen die Informationsquellen und Präferenzen hinsichtlich der Informationsversorgung von Schwangeren sowie der Bedarf an interprofessioneller Zusammenarbeit beteiligter Berufsgruppen erhoben. Zusätzlich wurden vier Expert:innen-Interviews durchgeführt, mit einer Hebamme, Gynäkologin, Zahnärztin und Ernährungsberaterin. Die Fokusgruppen und Interviews werden mittels qualitativer Inhaltsanalyse mit MAXQDA ausgewertet.

Ergebnisse und Diskussion:
Insgesamt nahmen 25 Schwangere aus sieben Bundesländern an den Fokusgruppen mit jeweils zwei bis sechs Schwangeren, sowie einem Einzelinterview auf Wunsch der Teilnehmerin, teil. Es wurden Schwangere in allen Trimestern in die Befragung eingeschlossen, und deckten eine Alterspanne von 23 bis 38 Jahren ab. Es ergab sich ein heterogenes Bild bei der Ernährungsweise der Teilnehmerinnen, von omnivorer Ernährung, über pescetarisch bis hin zu vegetarisch oder vegan. Vorläufige Ergebnisse deuten darauf hin, dass viele Frauen keine oder unzureichende Aufklärung zum Thema Mundgesundheit in der Schwangerschaft erhalten haben und sich dahingehend mehr Informationen von allen Fachgruppen wünschen, sowohl im mündlichen Gespräch als auch schriftlicher Form. Hinsichtlich der Ernährungsberatung zeichnet sich ein Bedarf für individuelle Aufklärung bezüglich Besonderheiten unterschiedlicher Ernährungsformen während der Schwangerschaft ab. Vier Einzelinterviews mit Expert:innen bieten zusätzlich Einsichten in die Herangehensweise der beteiligten Berufsgruppen in der Beratung sowie deren Einschätzung zu der Bedeutsamkeit dieser Themen im Vergleich zu den geäußerten Wünschen und Bedürfnissen der befragten Frauen. Eine auf die Bedürfnisse und Wünsche von Frauen angepasste Aufklärung zu den Themen Ernährung und Mundgesundheit in der Schwangerschaft könnte zu einer verbesserten Versorgungslage von Schwangeren in Deutschland und damit zu einem verminderten Risiko für negative Schwangerschaftsoutcomes beitragen.

Handlungsfeld: 3. Hebammenarbeit in der Praxis
Präsentierende Person: Karina Kastian, Wedel (DE)
Autor*innen: K. Kastian; J. Afram; D. Moser; E. Kremer


Sportliche Betätigung leistet einen wichtigen Beitrag für die Lebensqualität beim Übergang zum Leben mit Kindern (Heegard, 2011). Wird das Sportprogramm individuell auf die Bedürfnisse der Mütter zugeschnitten, können Probleme wie Inkontinenz nach der Schwangerschaft, Verspannungen beanspruchter Muskelgruppen oder Haltungsprobleme präventiv angegangen werden.

Rückbildungskurse sind ein zentraler Lösungsbaustein für diese Probleme.

Leider sind diese Kurse zeitlich begrenzt und nicht für jede Mutter erreichbar. Darüber hinaus sind 45 Minuten in einem Rückbildungskurs nicht ausreichend – es wird jungen Müttern empfohlen 150 bis 300 Minuten Bewegung pro Woche zu betreiben (DiPietro, 2019). Auf diese empfohlene Bewegungsdauer kommen die meisten Mütter nicht, denn sie stehen vor Hürden der Motivation, weil das Kind, Haushalt und Partner höher priorisiert werden. Zum anderen sind ein Mangel an Zeit, Gelegenheiten und Energie Gründe für eine zu geringe Bewegungsdauer (Saligheh, 2016).

Wie können wir jungen Müttern helfen, diese Hürden zu überwinden?

Mit Valerie, unserer digitalen Begleiterin, wollen wir die bewegungsspezifische Selbstwirksamkeit junger Mütter steigern. Indem wir Strategien und Gewohnheiten vermitteln, wie man Übungen in den Alltag integriert, helfen das eigene Fitnesslevel einzuschätzen, körperliche Einschränkungen durch die Geburt berücksichtigen, Übungen mit und ohne Kind auf dem passenden Fitnesslevel anbieten, Unsicherheiten bzgl. Stillen und Bewegung ansprechen. Wir wollen aufzeigen, dass junge Mütter mit regelmäßiger Bewegung mehr Energie und Kraft für ihr Baby haben. Zudem wollen wir über die Chancen und Grenzen von Bewegungsintervention bei Rektusdiastase, Inkontinenz und psychischen Problemen informieren. In schweren Fällen wird die digitale Begleiterin die junge Mutter an Hebammen, Frauenärzte und Physiotherapeuten verweisen. So wollen wir jungen Müttern zu mehr Lebensqualität und Selbstwirksamkeit verhelfen.

Handlungsfeld: 3. Hebammenarbeit in der Praxis
Präsentierende Person: Woet Gianotten, Hilversum (NL)
Autor*innen: W. Gianotten

Hebammenarbeit beginnt mit der Familienplanung und endet bei der Frühen Elternschaft . Letzlich zielt das auf eine gesunde Familie ab. Für diese gesunde Familie ist Sexualität wichtig, einerseits als Bindeglied, andererseits als wesentlicher Bestandteil der Beziehung zwischen der Frau und ihrem/r Partner. Die Stadien Schwanger werden, Schwangerschaft, Geburt, Stillen und junge Elternschaft sind mit allerlei sexuellen Folgen verbunden.

Leider fehlt in der Hebammenarbeit das Thema Sexualität fast vollständig. Dies gilt sowohl im Curriculum als auch in der täglichen Praxis. Und das scheint weltweit so zu sein.

Deshalb haben wir vor fünf Jahren ein Hebammen- und Sexualitätsprojekt gestartet. Eine Gruppe von 35 Experten aus 14 Ländern hat alle möglichen sexuellen Aspekte der Fortpflanzung und Schwangerschaft untersucht und ein Buch darüber geschrieben.

Im ersten Halbjahr 2023 wird „Midwifery and Sexuality“ als ‚Open-Access-Buch‘ erscheinen.

Diese Präsentation wird einige der neuen Erkenntnisse zu Schlüsselthemen teilen, mit dabei sexuelle Aspekte der Präkonzeption, Umgang met Sex während Schwangerschaftspathologie und Umgang mit vaginalen Schmerzen beim Stillen.

Handlungsfeld: 1. Forschungsforum
Präsentierende Person: Marie-Christine van Walbeek, Miesbach (DE)
Autor*innen: M. van Walbeek

Hintergrund und Ziel:
Im Dezember 2019 verabschiedete der Bundestag in Deutschland ein neues Hebammengesetz (HebG), das am 01.01.2020 in Kraft trat. Es löste das alte Hebammengesetz aus dem Jahr 1985 ab und brachte eine große Änderung in die Hebammenausbildung, die stufenweise durchgeführte Vollakademisierung des Berufsstandes (HebG, 2021). Im Rahmen dieser Gesetzesreform wurde auch eine neue Studien- und Prüfungsverordnung für Hebammen erlassen, die im Rahmen der praktischen Prüfungen der Studierenden alternativ zur in der schulischen Ausbildung durchgeführten Examensgeburt eine Prüfung in der Geburtshilfe „mit Modellen und Simulationspersonen“ (HebStPrV, 2020: § 29, Abs. 2) vorsieht.

Simulationen werden als „relativ komplex strukturierte“ Szenarien definiert, die unter anderem auch „unbekannte“ Situationen behandeln (Schröppel, 2021: 14). Auch wird die Kommunikation und Teamfähigkeit geübt (Kainer & Scholz, 2016: 2 – 3).

Simulationslabore (SimLab) sind ein neuer Lernort im Rahmen des Studiums der Hebammenkunde. Daher gibt es noch wenig Wissen zu den Erfahrungen, die Studierende in der Simulation machen. Die vorliegende Arbeit untersucht das Erleben der Studierenden im SimLab, insbesondere den Aufbau von Kompetenzen, die Steigerung der Selbstwirksamkeit und den Abbau von Ängsten und Unsicherheiten im Rahmen von Simulationen physiologischer Hausgeburten. Eine weitere Frage ist, ob sich die Simulationen auf Entscheidungen zur beruflichen Zukunft auswirken.

Methodik:
Mittels leitfaden-gestützten Interviews wurden fünf Studierende des sechsten Semesters von zwei verschiedenen Hochschulen in Bayern befragt. Die Auswertung erfolgte mit der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring.

Ergebnisse:
Studierende der Hebammenkunde erfahren durch die Simulationen physiologischer Hausgeburten einen Aufbau ihrer Kompetenzen, insbesondere ihrer Fachkompetenz. Auch die Selbst- und Sozialkompetenz kann verbessert werden. Die Selbstwirksamkeit wird gesteigert. Es kommt teilweise zu einem Abbau von Ängsten und Unsicherheiten. Die Simulationen haben geringen Einfluss auf die Pläne nach dem Studium hinsichtlich der beruflichen Zukunft.
Es gibt zahlreiche Vorschläge zur Gestaltung und Verbesserung der Simulationen.

Diskussion:
Simulationen physiologischer Hausgeburten fördern Fähigkeiten und Fertigkeiten von Studierenden der Hebammenkunde. Da dieser Lernort für viele Lehrende neu ist, ist eine Weiterentwicklung der Gestaltung der Räume, der Materialien und Szenarien sinnvoll. Briefing und Debriefing sind wichtige Komponenten der Methode und benötigen mehr Raum und Zeit. Weitere Untersuchungen zur Simulationen von Hausgeburten in Übergangssituationen (Verlegung der Hausgeburt, Notfall bei Hausgeburt) sind notwendig.

Handlungsempfehlung:
Die Entwicklung eines Curriculums erscheint sinnvoll, das am Anfang des Studiums die Simulation physiologischer (Haus-) Geburten und im Verlauf eine Steigerung des Schwierigkeitsgrades in den Simulationen vorsieht. Darüber hinaus soll die Weiterbildung der Lehrenden in der Gestaltung sowohl von Simulationen als auch des Briefings und Debriefings gefördert werden.

Handlungsfeld: 1. Forschungsforum
Präsentierende Person: Berit Friedrichsohn, München (DE)
Autor*innen: B. Friedrichsohn

Hintergrund:
Als Folge des „Breech Term Trail“ und seiner vermeintlich negativen Auswirkungen auf das fetale Outcome sank die Rate durchgeführter vaginaler Beckenendlagengeburten rapide ab, weshalb geburtshilfliches Expertenwissen verloren ging.

Ziel:
Ziel der Befragungsstudie war die Erhebung des Wissensstands sowie Fortbildungsbedarfs von Hebammen und werdenden Hebammen zur vaginalen Beckenendlagengeburt.

Methode:
Im Mai 2022 wurde eine Studie mittels Onlinebefragung von Hebammen und werdenden Hebammen durchgeführt, die die bisherige Erfahrung zur Durchführung, des Wissens, des Sicherheitsgefühls sowie des Fortbildungsbedarfs bezüglich der vaginalen Beckenendlagengeburt erfasste.

Ergebnisse:
474 Hebammen und werdende Hebammen beantworteten den Fragebogen. Nur knapp 30% der befragten Hebammen begleiten zum Zeitpunkt der Befragung BEL-Geburten, über die Hälfte würden dies jedoch gerne tun. Nur 10% der Hebammen nehmen regemäßig an Fortbildungen zur BEL-Geburt teil. 94% der Befragten würden sich durch regelmäßige Fortbildungsangebote in der Durchführung von BEL-Geburten sicherer fühlen. Besonders Simulationstrainings sowie virtuelle Angebote wurden von den Befragten als Wunsch geäußert.

Diskussion:
Die Durchführung vaginaler BEL-Geburten ist nur im geburtshilflichen Team aus Hebammen und GynäkologInnen möglich. Weitere Forschung hinsichtlich der Förderung BEL-zentrierter geburtshilflicher Strukturen sowie fachspezifischer Fortbildungsangebote werden als dringend nötig erachtet, um Gebärenden eine echt Wahlfreiheit des Geburtsmodus zu geben und die Sectiorate bei BEL-Geburten zu senken. Gleichzeitig gilt es, die Forderung der HebStPrV umzusetzen und werdenden Hebammen die Teilnahme an vaginalen BEL-Geburten zu ermöglichen.

Schlüsselworte:
Hebammen, Beckenendlage, vaginale Beckenendlagengeburt, Fortbildung

Handlungsfeld: 4. Internationale Hebammenarbeit
Präsentierende Person: Cornelia Krebs, Lübeck (DE)
Autor*innen: C. Krebs; C. Schwarz; K. Stahl

Introduction:
The aim of this pilot study is to translate, trial, and evaluate the Labour Hopscotch Framework (LHF) in one maternity unit in Germany. The project will be supported by the Irish colleagues who developed the LHF.
The LHF was developed by Irish midwives to support mobility and non-pharmacological methods of pain relief during labour, thus supporting physiological birth. It was developed in response to growing concerns about rising rates of medical intervention during childbirth in Ireland. This concern is echoed by German midwives also observing increased intervention rates in hospitals in Germany as well as increased rates of anxiety and post-traumatic stress syndrome in women.
Labour Hopscotch was designed for women and their support partner. It recommends breaking labour into 20-minute steps, using a visual tool that helps the woman and her partner focus on remaining active during labour. It is a useful resource that offers choice and reinforces the woman’s ability to manage her labour with the support of her birthing partner and midwife.
Based on the first research findings, the LHF has been already embedded in the undergraduate and postgraduate midwifery curriculum and the national antenatal education curriculum and has been transferred into clinical practice in maternity units throughout Ireland.
The LHF could offer a vital evidenced-based resource to midwives in Germany empowering them to promote and advocate physiological birth and improve women’s birth experiences.

Methodology:
The pilot study will consist of three steps: 1. translating the LHF into German, 2. educational training and workshops provided by the LHF lead trainer Sinead Thompson to a group of lecturers, clinical midwife educators, and midwives working in the pilot hospital, 3. implementing and evaluating the LHF in one of the teaching maternity units for the undergraduate midwifery program of the Universität of Luebeck.

Results:
For women, implementing the LHF in Germany can promote being active and mobile during labor to support physiological birth. For midwifery students and newly qualified midwives’ it can increase confidence to advocate for and provide women with tangible, supportive assistance during labor and increased partners’ involvement in the labor process. For the midwifery profession, the study will contribute to the increase national evidence of midwifery-led initiatives.

Summary:
This collaboration is an opportunity to explore how the LHF can be transferred to and applied in German hospital setting, and strengthen midwifery knowledge and evidence base how midwives can support physiological birth to achieve the WHO (2018) and national guideline recommendation (DGGG & DGHWI, 2020) for a positive birth.

The LHF could offer a relevant and effective resource for midwives in Germany to focus on going ‘back to basics’ and rethinking strategies that have traditionally been used by midwives ‘being with women’ in the past, thus supporting p

Handlungsfeld: 1. Forschungsforum
Präsentierende Person: Julia Mahler, Hamburg (DE)
Autor*innen: J. Mahler; K. Stahl

Hintergrund:
Die S3-Leitlinie in Deutschland ermutigt dazu, die Latenzphase im häuslichen Umfeld zu verbringen (1). In Deutschland werden jedoch 49% der Gebärenden mit einer Muttermundsweite von 0-2cm zur vaginalen Geburt in der Klinik aufgenommen (2).

Der in Kanada entwickelte und validierte Fragebogen „Early Labour Experience Questionnaire (ELEQ)“ erfasst die Erfahrungen Erstgebärender zu der Latenzphase (3). Der erste Teil des Fragebogens fokussiert auf affektive Erfahrungen in der Latenzphase, im zweiten Teil werden die Erfahrungen mit der Betreuung während der Latenzphase abgefragt. Eine deutsche Version des ELEQ existiert bisher nicht. Ziel der Studie ist die Übersetzung und kulturelle Adaptation des ELEQ für den deutschsprachigen Kontext.

Methoden:
Die Übersetzung und kulturelle Adaptation erfolgte in einem sequentiellen Verfahren basierend auf den „ISPOR Good-Practice“ Kriterien (4). Hierzu gehören die Hin- und Rückübersetzung, ein zweistufiges Delphiverfahren zur Überprüfung der Inhaltsvalidität und Konsentierung der Items durch ein Expert*innenpanel mit ausgewiesener fachinhaltlicher und methodischer Expertise sowie die Prüfung der Inhalts- und Augenscheinvalidität im Rahmen kognitiver Interviews mit Vertreterinnen der Zielgruppe.

Ergebnisse:
Die Hin- und Rückübersetzung erfolgten durch erfahrene Übersetzerinnen, im Falle der Hinübersetzerin mit zusätzlicher inhaltlicher Fachexpertise. Für das Delphiverfahren konnten insgesamt 8 Expertinnen gewonnen werden (4 Wissenschaftlerinnen mit fachinhaltlicher und/oder methodischer Expertise im Bereich Fragebogenübersetzung, 2 Expertinnen aus der (klinischen) Praxis, eine bilinguale sowie eine Expertin aus der Zielgruppe). Zusätzlich wurde die Originalautorin bei durch das Panel nicht abschließend zu klärenden Fragen kontaktiert. Durch diese Maßnahmen konnten offene Fragen beantwortet und konzeptionelle Unterschiede geklärt werden.

Im Zuge der Übersetzung und kulturellen Adaptation wurde der Begriff „nurse“ durch „Hebamme“ ersetzt. Der Begriff der „Latenzphase“ wurde im Zusammenhang mit einer laienverständlichen Sprache stark diskutiert und schließlich mit dem Begriff „Anfangsphase der Geburt“ in den Fragebogen aufgenommen. Die Übersetzung der Fragen zu den affektiven Erfahrungen erfolgte eng am Original. Das Wording der Antwortskala für den zweiten Teil des Fragebogens wurde angepasst. Von den ursprünglich 26 Fragen der englischen Originalversion wurden 25 in die deutsche Version aufgenommen.

Zur Überprüfung der Inhalts- und Augenscheinvalidität wurden 12 kognitive Interviews geführt. Die Teilnehmenden bewerteten den Fragebogen insgesamt als verständlich, der durchschnittliche Zeitaufwand betrug 3 Minuten und 34 Sekunden. Die Auswertung der kognitiven Interviews steht noch aus.

Diskussion und Zusammenfassung:
Den Herausforderungen in der Übersetzung und kulturellen Adaptation des Fragebogens konnte mit einer breiten Expertise begegnet werden. Die Beachtung der ISPOR Kriterien gewährleistete eine kontrollierte Vorgehensweise mit sorgfältig geplanten und dokumentierten Schritten. Erste Zwischenergebnisse deuten darauf hin, dass der Fragebogen sich zur Testung in einer Pilotstudie eignet.

Handlungsfeld: 1. Forschungsforum
Präsentierende Person: Daniela Kahlke, Baienfurt (DE)
Autor*innen: D. Kahlke

Die Verlagerung der Erstausbildung von Hebammen in Deutschland an die Hochschulen ist neben einem Setting-Wechsel auch mit einem Lehr-Lern-Kulturwandel für die Hebammenausbildung verbunden (vgl. Darmann-Finck et al. 2014). Der Wandel zu einer kompetenzorientierten Hochschullehre im Rahmen der Bologna-Reform impliziert einen Kulturumbruch, der die Rolle der Lernenden und eine selbstgesteuerte Konstruktion von Wissen in den Vordergrund rückt. Die hochschulische Lehre richtet sich an der studentischen Aneignung von Kompetenzen und nicht länger an der Vermittlung von Wissen bzw. Inhalten aus. Aus diesem Kulturwandel resultieren gewandelte Anforderungen an Hochschullehrende. Für den Gegenstandsbereich der Handlungspraxis Hochschullehrender besteht nicht nur im Bereich der hochschulischen Erstausbildung von Hebammen, sondern auch in der allgemeinen Hochschulforschung ein grundlegendes Forschungsdesiderat (vgl. Grieshop 20201).

Die Teilstudie B der Dissertation „Kulturen des Lehrens in der hochschulischen Erstausbildung von Hebammen in Deutschland – eine qualitativ-rekonstruktive Studie“ rückt die Hochschullehrenden in den Hebammenstudiengängen in Deutschland in den Mittelpunkt des Erkenntnisinteresses. Diese strukturieren einerseits über ihr persönliches Lehrhandeln aktiv die hochschulische Ausbildung und bringen andererseits eigene implizite Muster und Orientierungen des Denkens, der praktischen Lehrtätigkeit und Professionsauffassung aus der vorberuflichen Sozialisation und dem berufsbiografischen Werdegang ein.

Über die Auswertung von 17 berufsbiografisch-narrativen Interviews mit Hilfe der Dokumentarischen Methode nach Bohnsack (2014) und Nohl (2017) lassen sich drei sinngenetische Lehrtypen rekonstruieren, welche sich in Bezug auf Handlungsorientierungen in ihrem berufsbiografischen Werdegang, ihrem Lehrhandeln im hochschulischen Setting und ihren Interaktionen mit Studierenden im Rahmen hochschulischer Lehre unterscheiden: ‚Lehren im Modus hochschulisch-institutioneller Abgrenzung & Distanz‘, ‚Lehren im Modus individueller & praxisorientierter Lernprozess-Begleitung‘ und ‚Lehren im sich entwickelnden Modus zwischen Theorie und Praxis & Nähe und Distanz‘. Lehrende, die bereits im Rahmen ihrer akademischen Qualifizierungsphase eine Integration in das hochschulische Setting erfahren haben, zeigen beispielsweise eine Inkorporation von Merkmalen, die dem Hochschulfeld eigen sind und verfügen über eine größere Sicherheit im Umgang mit dem Setting Hochschule. Gleichzeitig zeichnen sich Lehrende mit einer frühen Integration ins hochschulische Setting durch eine betonte Abgrenzung zur Praxis aus. Die rekonstruierten Typen werden durch einen Fallvergleich mit einem Lehrenden außerhalb der Hebammendisziplin und einem soziogenetischen Ausblick ergänzt.

Die Ergebnisse betonen die Relevanz der Reflexion der eigenen Position zwischen den Settings Hochschule und Praxis. Das Hebammenstudium ist gekennzeichnet durch eine Praxisorientierung, die Herausforderung eines Theorie-Praxis-Transfers und der sich zum Teil widersprechenden Interessen der beiden Settings von Hochschule und Praxis – zwischen Berufsbefähigung und Freiheit von Forschung und Lehre.

Handlungsfeld: 3. Hebammenarbeit in der Praxis
Präsentierende Person: Janice Hill, Tübingen (DE)
Autor*innen: M. Schmid

Hintergrund:
Die intrapartale Übertragung von Gruppe-B-Streptokokken auf das Ungeborene stellt noch immer die führende Ursache für neonatale Infektionen dar. Dies ist besonders alarmierend, wenn bedacht wird, dass rund 10-30% der Schwangeren mit Streptokokken der Gruppe B besiedelt sind. Das aktuelle Screening-Verfahren sieht vor, positiv getestete Schwangere ab Wehenbeginn oder Blasensprung mit Antibiotika zu behandeln. Aufgrund nicht zu vernachlässigender Risiken, die mit einer prophylaktischen Antibiotikatherapie einhergehen, wie beispielsweise die Entstehung antibiotikaresistenter Organismen oder eine Beeinträchtigung der Entwicklung der Darmflora der Neugeborenen, wird dieses Vorgehen kontrovers diskutiert. Auf Basis dessen sollte überprüft werden, ob sich wissenschaftliche Rechtfertigung für eine solche prophylaktische Behandlung findet.

Methodik:
Um den höchsten Grad an Evidenz zu ermitteln, wurde zunächst die Cochrane Datenbank durchsucht, wobei ein passendes Review gefunden wurde. Des Weiteren wurde eine AWMF-Leitlinie zur Beurteilung einbezogen. Aufgrund mangelnder Aktualität dieser beiden Quellen kam die Durchführung einer zusätzlichen systematischen Literaturrecherche in PubMed hinzu. Dabei konnten ein Review und eine prospektive Kohortenstudie identifiziert werden.

Ergebnisse:
Das herangezogene Cochrane Review involviert drei Studien mit insgesamt 488 Neugeborenen GBS-positiver Mütter. Verglichen wurde der Effekt einer antibiotischen Gabe im Vergleich zu keiner Gabe. Es ergab sich eine signifikante Reduktion der Early-Onset-Infektionen der Gruppe der Neugeborenen, deren Mütter Antibiotika-Prophylaxe unter der Geburt erhalten haben. Eine der Quellen verzeichnet außerdem einen Rückgang der Early-Onset-Infektionen in den USA um 80%, was sich auf die Einführung des Gruppe-B-Streptokokken-Screenings und die damit einhergehend prophylaktische Antibiotikatherapie zurückführen lässt. Dagegen konnte kein statistisch signifikanter Rückgang in der Inzidenz der Late-Onset-Infektion gezeigt werden.

Schlussfolgerung:
Bei der Interpretation dieser Effekte muss letztendlich beachtet werden, dass diese Ergebnisse die Folge hoch verzerrter Studien sind und keinen korrekt durchgeführten randomisierten Fall-Kontroll-Studien zugrunde liegen. Dennoch lässt sich eine Tendenz zur Empfehlung für Antibiotika-Prophylaxe in GBS-positiv gescreenten Schwangeren erkennen. Dieser Sachverhalt impliziert die Notwendigkeit doppelblind-kontrollierter Studien mit adäquatem Stichprobenumfang. Die Problematik besteht weiterhin darin, dass es diese aus ethischen Gründen auch in Zukunft nicht geben wird. Dahingehend bestünde die Überleg

Handlungsfeld: 3. Hebammenarbeit in der Praxis
Präsentierende Person: Janice Hill, Tübingen (DE)
Autor*innen: P. Schmid

Zielsetzung:
Frühgeborene haben gegenüber Reifgeborenen ein deutlich erhöhtes Risiko eine Zerebralparese zu erleiden. Dieses Krankheitsbild birgt große Einschränkungen und Beeinträchtigungen im Leben der Kinder und ihrer Familien. Die antenatale Verabreichung von Magnesiumsulfat an die Mutter vor Entbindung stellt eine Maßnahme dar, um das Risiko für eine infantile Zerebralparese zu senken. Die Hebamme spielt eine zentrale Rolle in der Beratung der Frauen zu, sowie bei der Verabreichung und Überwachung von Magnesiumsulfat. Ziel dieser Arbeit ist die Darstellung des aktuellen Forschungsstands zum Thema und die Überprüfung der Evidenz dieser Maßnahme.

Methoden:
Im Februar 2022 wurde eine systematische Literaturrecherche in der elektronischen Datenbank PubMed durchgeführt, um alle relevanten Veröffentlichungen zum Thema zu identifizieren. Die Suche wurde mit Hilfe des PRISMA-Schemas strukturiert. Daraufhin wurden die wichtigen methodischen Kennzeichen, sowie die Ergebnisse der Studien herausgelesen. Außerdem wurde eine Qualitätsbewertung der Studien mit dem AMSTAR-Score durchgeführt.

Ergebnisse:
Insgesamt wurden zwei systematische Reviews mit Metaanalyse ein systematisches Review und eine Individual Participant Data Metaanalyse in diese Arbeit eingeschlossen. Es ergab sich eine Gesamtprobandinnenzahl von n=6178. Die Publikationen kommen zu dem Ergebnis, dass eine antenatale Magnesiumsulfat an die Mutter das Risiko für das Erleiden einer Zerebralparese bei Frühgeborenen signifikant mindert. Aufgrund der hohen Qualität von drei der vier Studien kann eine hohe Evidenz angenommen werden.

Zusammenfassung:
Die Behandlung mit Magnesiumsulfat hat Nebenwirkungen für das Kind, welche nur bei sehr hohen Dosierungen auftreten. Diese hohen Dosen werden von den empfohlenen Dosierungsschemata nicht erreicht. Bei der Mutter können Nebenwirkungen im Herz-Kreislauf-System auftreten, weshalb eine engmaschige Überwachung der mütterlichen Vitalzeichen und ihres Befinden erforderlich ist. Schwere maternale Nebenwirkungen wurden nicht beobachtet. In den Studien wurden unterschiedliche Dosierungen verwendet. Die kleinste effektive Dosierung konnte bei einem Bolus von 4g über 15–30 Minuten und einer Erhaltungsdosis von 1 g/h für 12 h beobachtet werden. Dies entspricht weitgehendst der aktuellen AWMF-Empfehlung. Da das Risiko für eine Zerebralparese mit steigendem Gestationsalter sinkt, ist die Relevanz der Neuroprotektion unter 32 Schwangerschaftswochen besonders groß. Die Evidenz für die antenatale Magnesiumsulfatgabe zur Prophylaxe von Zerebralparesen des Frühgeborenen ist hoch. Jedoch muss weiter erforscht werden, welche Dosen an Magnesium und bis zu welchem Gestationsalter die Gabe sinnvoll ist.

Handlungsfeld: 2. Hebammen in der Gesellschaft
Präsentierende Person: Katharina Häseli, Berlin (DE)
Autor*innen: K. Häseli; J. Leinweber

Einleitung / Hintergrund:
Schwangere, die in den seit Mitte des 18. Jahrhunderts entstehenden Entbindungsheimen und Gebäranstalten gegen Kost und Logis aufgenommen wurden und ihren Körper als Gegenleistung der Lehre und Forschung als Untersuchungsobjekt zur Verfügung stellten wurden bis ins späte 20.Jh Hausschwangere genannt. Oft waren es ledige und mittelose Frauen mit prekärem sozialen Status, die sich als Hausschwangere in Entbindungsanstalten haben aufnehmen lassen.
Bislang gibt es wenig Übersichtswissen zur Verbreitung und zu den Charakteristika des Einsatzes von Hausschwangeren in geburtshilflichen Kliniken im deutschsprachigen Raum.

Methoden:
Integrative Literaturreview nach der Methode von Whittemore und Knafl (2005) zum Thema Verbreitung und zu den Charakteristika des Einsatzes von Hausschwangeren in geburtshilflichen Kliniken im deutschsprachigen Raum

Ergebnisse:
Hausschwangere wurden in vielen Gebärkliniken / Geburtshilflichen Abteilungen (im deutschsprachigem Raum) eingesetzt. Während der Einsatz von Hausschwangeren im 20. Jahrhundert deutlich weniger zu werden schien, gibt es vereinzelte Berichte von Kliniken, in denen Hausschwangere bis in die 70er Jahre des 20. Jahrhunderts dokumentiert waren.

Diskussion / Schlussfolgerungen:
Hauschwangere waren ein weitverbreitetes Phänomen. Über einen langen Zeitraum haben werdende Hebammen sowie Medizinstudierende entweder direkt an Hausschwangeren gelernt oder aber sind in einer klinischen Umgebung sozialisiert, in der Hauschwangere als selbstverständlich angesehen wurden. Es kann deshalb davon ausgegangen werden, dass Hauschwangere und der Umgang mit ihnen die geburtshilfliche Kultur mitgeprägt haben. Aus der Geschichte der Interaktionen zwischen Hausschwangeren und Lernenden in der Geburtshilfe könnten relevante Informationen abgeleitet werden, die die Komplexität von Interaktionen im sozialen Raum ‚Geburtsklinik‘ erklären und das Etablieren einer respektvollen geburtshilflichen Betreuung fördern könnten.
Weitere Forschung ist notwendig, um den Einfluss des Phänomens der Hausschwangeren auf die heutige geburtshilfliche Kultur zu analysieren.

Konklusion:
Hauschwangere waren bis ins letzte Jahrhundert hinein ein häufiges und relevantes Phänomen in der Ausbildung von Hebammen und Geburtshelfern. Diese sollten darüber informiert sein.

Handlungsfeld: 3. Hebammenarbeit in der Praxis
Präsentierende Person: Caroline Johanna Agricola, Hamburg (DE)
Autor*innen: C. Agricola; I. Efimov; N. Makarova; S. Mache; B. Zyriax


Hintergrund:
Hebammen betreuen Frauen unter hohen Arbeitsbelastungen im klinischen und außerklinischen Setting. Diese beeinflussen die physische und psychische Gesundheit von Hebammen und können mit der Berufsaufgabe und Wechselabsicht des Arbeitsplatzes einhergehen [1,2]. Da Studierende der Hebammenwissenschaft in der Praxis unter ähnlichen Arbeitsbedingungen ausgebildet werden, weist diese Gruppe einen hohen Bedarf an Gesundheitsförderung während des Studiums und zum Arbeitsbeginn auf. Zudem ist die arbeitsbezogene Gesundheitskompetenz für Studierende im Hinblick auf ihre Rolle in der Versorgung, Prävention und Gesundheitsförderung von Frauen und jungen Familien relevant. Angesichts fehlender Studien zu der Thematik in Deutschland wird mit der „Healthy MidStudents“ Studie das Ziel verfolgt, eine Bestandsaufnahme des Gesundheitsverhaltens, der arbeitsbezogenen Gesundheitskompetenz, dem Stresserleben und der Bewältigungsstrategien von Studieren-den der Hebammenwissenschaft in Norddeutschland durchzuführen.

Methode:
Es wurde eine online-basierte Querschnittsstudie an neun Studienstandorten der Hebammenwissenschaft in Norddeutschland im Zeitraum von Oktober bis Dezember 2022 durchgeführt. Der standardisierte Fragebogen besteht aus validierten Instrumenten zum Gesundheitsverhalten (MDS, FTND, AUDIT-C, IPAQ, PSQI), der arbeitsbezogenen Gesundheitskompetenz (OHLS), Stresserleben (PSS-10) und Bewältigungsstrategien (SCI) sowie selbstentwickelten Fragen zum Gesundheitsverhalten und Stresserleben in Lehre und Praxis, Einfluss der Covid-19 Pandemie auf das Studium, zur Vorbereitung auf die Berufsausübung und zu Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung. Die Analyse wird nach Abschluss der Datenerhebung ab Januar 2023 geplant.

Ergebnisse:
Die Stichprobe (n = 186) (Stand 15.11.22) setzt sich aus Studierenden der Hebammenwissenschaft an neun Studienstandorten der Bundesländer Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein zusammen. Erwartet werden signifikante Zusammenhänge zwischen der arbeitsbezogenen Gesundheitskompetenz und dem Gesundheitsverhalten sowie zwischen den Coping-Strategien und dem Stresserleben. Zudem wird erwartet, dass in den Praxisphasen im Vergleich zu den Lehrphasen das Gesundheitsverhalten ungesünder bewertet und das Stresserleben höher erlebt wird.

Zusammenfassung:
Mit der ersten Bestandsaufnahme zum Gesundheitsverhalten von Studierenden der Hebam-menwissenschaft in Deutschland werden Ressourcen und Defizite im Gesundheitsverhalten, der arbeitsbezogenen Gesundheitskompetenz, dem Stresserleben und Bewältigungsstrategien zukünftiger Hebammen identifiziert. Auf Basis der Ergebnisse können zielgruppenspezifische Implikationen zur gesundheitsfördernden Gestaltung der theoretischen Ausbildung an Hochschulen und praktischen Ausbildung im klinischen und außerklinischen Setting abgeleitet werden.

Handlungsfeld: 4. Internationale Hebammenarbeit
Präsentierende Person: Mia Amelie Suermann, Berlin (DE)
Autor*innen: M. Suermann

Hintergrund:
Die Betreuung von Gebärenden in geburtshilflichen Einrichtungen ist eine anerkannte Strategie zur Senkung der globalen Mütter- und Säuglingssterblichkeitsrate. Allerdings wird aus Geburtskliniken im globalen Süden über eine übermedikalisierte Geburtshilfe und respektlose Betreuung der Gebärenden berichtet. Hebammengeleitete Zentren, die auf der Grundlage des „midwifery model of care“ arbeiten, haben sich als sichere, menschenzentrierte und kostengünstige Alternative für Gebärende mit einer low-risk Schwangerschaft erwiesen. Allerdings ist wenig über die hemmenden und förderlichen Faktoren bekannt, die ihrer erfolgreichen Implementierung und Funktionsweise in Ländern mit mittleren und niedrigem Einkommen (LMICs) entgegenstehen.

Ziel:
Untersuchung der hemmenden und förderlichen Faktoren für die Implementierung und das Funktionieren von Hebammenzentren in LMICs

Methoden:
Es wurde ein Scoping Review durchgeführt, um die verfügbare Forschung und graue Literatur zu erfassen und Forschungslücken zu identifizieren. Anhand der Ergebnisse wurden Themen entwickelt und als Grundlage für die Konsultation in Form von 10 qualitativen Interviews mit Schlüsselinformant*innen verwendet. Die Daten aus dem Literaturreview und den Expert*inneninterviews wurden thematisch analysiert und in einen SWOT-Analyserahmen eingeordnet.

Ergebnisse:
Insgesamt wurden 15 Literaturquellen einbezogen und 10 Interviews mit Schlüsselinformant*innen geführt. Aus dem Scoping Review und den qualitativen Interviews wurden vier Hauptkategorien und mehrere Unterkategorien für hemmende und förderliche Faktoren generiert, wobei die wichtigsten die Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken sind, die mit Hilfe eines SWOT-Analyserahmens ermittelt wurden.

Diskussion:
Die Implementierung von Hebammenzentren in LMICs kann nicht isoliert funktionieren. Der Erfolg der Implementierung hängt maßgeblich von einer unterstützenden Infrastruktur ab. Die Einrichtung qualitativ hochwertiger Hebammenzentren erfordert das Vorhandensein und die Einhaltung internationaler Standards, sowie Reformen in der Hebammenausbildung und Investitionen in das gesamte reproduktive Gesundheitssystem in LMICs.

Wichtige Schlussfolgerungen:
Die Implementierung und Aufrechterhaltung von Hebammenzentren in LMIC wird durch interne Richtlinien und Standards, nachhaltige Finanzierungsmodelle, ein integratives Versorgungsmodell und eine enge Zusammenarbeit mit dem Gesundheitssystem und der Gemeinschaft erleichtert. Das größte Hindernis für die Implementierung ist der Mangel an professionell ausgebildeten Hebammen*, die basierend auf dem „midwifery model of care“ arbeiten.

Auswirkungen auf die Praxis:
Die Ergebnisse verdeutlichen den Bedarf an qualitativ hochwertig ausgebildeten Hebammen* und einer engen Zusammenarbeit zwischen geburtshilflichen Akteuren und Einrichtungen, um eine sichere und respektvolle Geburtshilfe in Hebammenzentren zu ermöglichen.

Handlungsfeld: 2. Hebammen in der Gesellschaft
Präsentierende Person: Julia von Sommoggy, Regensburg (DE)
Autor*innen: J. von Sommoggy; E. Grepmeier; J. Curbach; J. Lander

Hintergrund und Stand (inter)nationaler Forschung:
Die Forschung zeigt, dass Gesundheitskompetenz (GK), also die Fähigkeit Informationen finden, verstehen, bewerten und anwenden zu können, einen Einfluss auf das Gesundheitsverhalten und -outcomes hat. Da Allergien auch bei Kindern sehr häufig auftreten, erscheint eine GK-orientierte Beratung in den ersten Lebensjahren wichtig, damit Zielgruppen wie Eltern von kleinen Kindern sich angemessen mit der Vermeidung der Erkrankung befassen können. Hier können Hebammen eine wichtige Rolle spielen, da sie vielfach wichtige Ansprechpartnerinnen für werdende und junge Familien sind.

Fragestellung und Zielsetzung:
Im Rahmen der DFG-geförderten Forschungsgruppe Helicap (FOR 2959, CU 438/1-1) wurde in dieser Studie untersucht, wie Hebammen in ihrer Beratung zum Thema frühkindliche Allergieprävention (FKAP) wissenschaftliche Evidenz vermitteln, wie sie die GK von Eltern während der Beratung berücksichtigen, und inwiefern sie GK-bezogene Informationsstrategien anwenden.

Methode:
Zwischen Mai 2020 und März 2021 wurden 24 Interviews mit Hebammen in Bayern, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen telefonisch und persönlich geführt. Diese wurden aufgezeichnet, verbatim transkribiert, mit Atlas.ti codiert und inhaltsanalytisch nach Kuckartz (2012) ausgewertet.

Ergebnisse:
Die befragten Hebammen sahen sich als wichtige Beraterinnen von Eltern, da es ihre Aufgabe ist, aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse zur Vermeidung von Allergien zu vermitteln. Auch wenn ihnen entsprechende aktuelle Empfehlungen meist bekannt waren, wurden diese kaum als eigenständiges Beratungsthema aufgefasst, sondern implizit im Gespräch mit Eltern über Ernährung (Stillen und Einführung von Beikost), Hygiene und der Vermeidung von Rauchen aufgegriffen. Eine Vertiefung fand nur dann statt, wenn es einen expliziten Bedarf dazu gab.

Das Konzept „Gesundheitskompetenz“ war den meisten Befragten eher unbekannt und wurde daher bei Eltern auch nicht systematisch erfasst, sondern häufig über den engen persönlichen Kontakt, Ausbildung und Beruf der Eltern und die wahrgenommene Wohnumgebung intuitiv bestimmt. Um die Beratung an Bedürfnisse und Vorwissen der Eltern anzupassen, gaben die Hebammen an eher implizite Strategien während des Gesprächs zu nutzen, etwa in dem sie Fachbegriffe vermeiden und eine ‚einfache‘ Sprache anwenden. Um zu überprüfen, ob Eltern die erhaltenen Empfehlungen verstehen und anwenden, nutzten die Befragten meist den häufigen Kontakt zu den Familien.

Die Interviewpartnerinnen bewerteten potenziell nützliche Beratungsstrategien wie teach-back (Informationen in eigenen Worten wiedergeben) eher kritisch, da dies eine Prüfungssituation darstellt und Eltern möglicherweise verunsichert. Auch schriftliche Informationen wurden oftmals nur zögerlich weitergegeben.

Zusammenfassung:
Die Kenntnis über und damit auch die Einbeziehung elterlicher GK in die Beratung durch Hebammen erscheint wünschenswert, damit sie Eltern darin unterstützen können, Gesundheitsinformationen finden, verstehen, beurteilen und anwenden zu können. Wenn dies gelingt, kann auch ein Beitrag zur Verbesserung von Gesundheitsverhalten und gesundheitsbezogenen Outcomes geleistet werden.

Präsentierende Person: Kathrin Schumacher, Lübeck (DE)
Autor*innen: K. Schumacher

An wen wendet sich dieser Vortrag?
Der Vortrag wendet sich an alle Hebammen gleichermaßen, die Interesse an oder bereits Erfahrungen mit den Angeboten der Frühen Hilfen haben. Er wendet sich an Hebammen die, freiberuflich oder angestellt, Teil des Angebots der Frühen Hilfen für junge Familien sind. Er wendet sich an Familienhebammen und auch Akteur*innen anderer Professionen rund um die präventive Unterstützung für Kinder und Eltern im ersten Lebensjahr.

Welche Forschungsfrage liegt zu Grunde?
Die präventiven Angebote und Leistungen der Frühen Hilfen orientieren sich an Niedrigschwelligkeit und Freiwilligkeit für ihre Adressat*innen. Natürlich gehen wir Akteur*innen in den Frühen Hilfen davon aus, dass unsere Angebote den Adressat*innen z.B. Unterstützung und Entlastung bei der Bewältigung ihres herausfordernden Familienalltags bieten. Aber woher wissen die jungen Familien von den Angeboten der Frühen Hilfen? Wie gestalten sich Zugangswege zu unseren Angeboten? Wo sind die Schnittstellen und Verbindungsknoten, die eine erfolgreiche Hinführung zu den Frühen Hilfen ermöglichen? Für die drei Frühe Hilfen Beratungsstellen der Hansestadt Lübeck habe ich aus 4 Jahren die erhobenen Daten ausgewertet. Ein Teilaspekt dieser Auswertung war, zu evaluieren, ob die intensiven Bemühungen um Vernetzung im Sektor Gesundheitswesen und Heilberufe sich auch in den Zahlen der Vermittlungen und Überleitungen wiederfinden lassen.

Welche Forschungsmethode wurde angewandt?
Um die konkreten Zugangswege der jungen Familien in die Angebote der Frühen Hilfen zu analysieren wurde ein quantitativ empirischer Ansatz gewählt. Die Datengrundlage wurde durch ein einrichtungsübergreifendes Statistikprogramm (Infohope) der AWO Schleswig-Holstein gewährleistet. Ausgewertet wurden die Angaben der Familien, durch wen sie die Information über oder die Vermittlung zu den Beratungsstellen erhalten haben. Das Zahlenmaterial wurde mit Text kommentiert und zur griffigen Anschaulichkeit in Grafiken dargestellt.

Welche Ergebnisse können aus der Datenlage abgeleitet werden?
Aus 968 in der EDV erfassten Neuanmeldungen in einem Zeitraum von 4 Jahren konnte ich bei 840 Datensätze eindeutige Rückschlüsse auf die Zugangswege zu den Frühen Hilfen ziehen. Es ließen sich 4 Personen- bzw. Berufsgruppen und Institutionen ausmachen, die die Informationen über Frühe Hilfen an die Familien übermittelten. Die Gruppe aus Verwandten/ Bekannten war dabei mit 4% signifikant kleiner als die drei Hauptgruppen der Vermittelnden. Das Jugendamt bzw. andere Einrichtungen der Jugendhilfe waren mit 27% am Zustandekommen eines Beratungs- und Hilfssettings beteiligt. Immerhin 33% der Familien fanden den Weg aus eigener Initiative. Aus dem Bereich Gesundheitswesen mit Hebammen kam mit 36% der größte Anteil der Kontaktaufnahmen zustande. Da der Forschungsschwerpunkt auf dem Bereich Gesundheitswesen/ Gesundheitsfachberufe lag, wurde diese Gruppe der Vermittler*innen weiter spezifiziert. Unterteilt wurde in Mitarbeitende in Psychiatrie und Psychotherapie, Mitarbeitende in Kinder+ u. Frauenarztpraxen u. Frauenkliniken sowie Gesundheitsamt und als dritter Teilbereich die freiberuflichen Hebammen. Von den 304 Familien, deren Zugang über den Sektor Gesundheitswesen nachweisbar war, wurden 161 – also über die Hälfte – durch freiberuflich Hebammen zur Kontaktaufnahme motiviert.

Zusammenfassung
Ein wesentlicher Erfolgsfaktor für die Arbeit der Frühen Hilfen ist ein frühzeitiger Zugang der jungen Familien. Insbesondere freiberufliche Hebammen können hier einen wertvollen Beitrag durch ihre fundierte Beratung leisten. Kontinuierliche Vernetzungsarbeit, Fortbildung und Qualifizierung für diese Berufsgruppe durch die Akteur*innen der Frühen Hilfen (z.B. durch Familienhebammen) gewährleisten das Bekanntwerden unserer Angebote dort, wo sie gebraucht werden – bei den jungen Familien.

Handlungsfeld: Hebammenarbeit in der Praxis
Präsentierende Person: Stephanie Lücke, Bonn (DE)
Autor*innen: S. Lücke; S. Koch; G. Böl; M. Flothkötter

Hintergrund:
Deutschland ist nur moderat stillfreundlich, dies ergab eine systematische Bestandsaufnahme von 2019 [1]. Aufbauend auf einer Referenzstudie [2] wurde eine Befragung zur Akzeptanz des Stillens in der Öffentlichkeit durchgeführt. Ziel der Befragung war es, Wahrnehmungen und Einstellungen zum öffentlichen Stillen im zeitlichen Vergleich zu erfassen. Zudem wurden u. a. Unterschiede zwischen der Allgemeinbevölkerung und Müttern von kleinen Kindern sowie zwischen Müttern mit unterschiedlichem Bildungsstand betrachtet.

Methoden:
1.007 Personen ab 16 Jahren und 307 Mütter mit Kindern bis 24 Monaten wurden im Jahr 2020 online zum Thema Stillen in der Öffentlichkeit befragt. Ergebnisse wurden mit einer früheren Befragung aus 2016 verglichen.

Ergebnisse:
2020 stillt ein größerer Anteil von Müttern an öffentlichen Orten als 2016, es wird seltener vermieden. Mütter mit niedrigerem Bildungsstand stillen seltener, auch in der Öffentlichkeit, und berichten häufiger von gemischten Reaktionen. In der Bevölkerung ist die Akzeptanz für das öffentliche Stillen gesunken, z. B. in der Gastronomie. Etwa jede bzw. jeder Sechste (17 %) lehnt das öffentliche Stillen explizit ab. Das Wissen über gesundheitliche Effekte des Stillens ist in der Allgemeinbevölkerung niedriger als bei Müttern. Wie 2016 geht Wissen über die positiven Effekte des Stillens mit einer größeren Akzeptanz von öffentlichem Stillen einher.

Diskussion:
Die Ergebnisse unterstreichen, wie wichtig Maßnahmen sind, die die Akzeptanz des Stillens steigern. Dazu zählt:

– der Bevölkerung Wissen zum Thema Stillen zu vermitteln,

– das Stillen in den Medien und auf Social Media häufiger zu zeigen sowie

– die Lebenswelten von Familien stillfreundlicher zu machen, etwa durch Information von Fachkräften und die Kennzeichnung besonders stillfreundlicher Orte.

Bei den Maßnahmen sind Frauen mit niedrigerem Bildungsstand besonders in den Blick zu nehmen [3-5].

Hebammen erleben als wichtige Ansprechpartnerinnen in der täglichen Arbeit mit Müttern, von welchen Erlebnissen diese im Alltag berichten, und haben die Chance, ihnen für das öffentliche Stillen den Rücken zu stärken. Der Beitrag liefert ihnen dafür Hintergrundwissen über aktuelle Einstellungen in der Bevölkerung und Erfahrungen junger Mütter und Argumente für die Stärkung des öffentlichen Stillens in ihrem Arbeitsalltag.

Handlungsfeld: 4. Interprofessionalität in der Hebammenarbeit
Präsentierende Person: Mariell Hoffmann
Autor*innen: Mariell Hoffmann (1), Anna-Kristin Brettschneider (1), Jana Steindl (1), Beate Matthes-Bolz (2), Iris Lehmann (2), Maren Winzenried (2), Elena Roskosch (1), NaSt-Gruppe (3), Regina Ensenauer (1)

(1) Institut für Kinderernährung, Max Rubner-Institut, Karlsruhe 
(2) Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Max Rubner-Institut, Karlsruhe
(3) Alle an der Entwicklung beteiligten AkteurInnen

Zielsetzung:
In Deutschland beginnen 87% aller Mütter mit dem Stillen, allerdings stillen lediglich 68% der Mütter nach der Geburt ausschließlich. Bis zum Ende des vierten Monats sind es noch 40% und bis zum sechsten Monat 13% [1]. Das Stillverhalten wird durch eine Vielzahl an Faktoren auf individueller, sozialer und struktureller Ebene beeinflusst. Eine systematische Bestandsaufnahme zur Stillförderung stufte Deutschland 2019 als moderat stillfreundlich ein [2]. Dies zeigt, dass Maßnahmen erforderlich sind, um die Stillförderung unter Berücksichtigung der Rahmenbedingungen kurz-, mittel- und langfristig zu verbessern. Daher hat die Bundesregierung das Institut für Kinderernährung am Max Rubner-Institut mit der transdisziplinären Entwicklung einer Nationalen Strategie zur Stillförderung (NaSt) beauftragt.

Methoden:
Etwa 150 AkteurInnen mit interdisziplinären fachlichen Hintergründen haben in einem vom Institut für Kinderernährung koordinierten und moderierten partizipativen Prozess Maßnahmen zur Stillförderung in sieben Strategiefeldern (SF) erarbeitet: Evidenzbasierte Leitlinien, Aus-, Fort- und Weiterbildung, Präventions- und Versorgungsstrukturen, Kommunale Stillförderung, Stillen und Beruf, Vermarktung von Muttermilchersatzprodukten und Systematisches Stillmonitoring.

Ergebnisse:
Die NaSt wurde im Juli 2021 vom Bundeskabinett beschlossen [3]. Die Koordinierung der Umsetzung der NaSt liegt beim Institut für Kinderernährung des Max Rubner-Instituts. Im SF Evidenzbasierte Leitlinien wird die medizinische S3-Leitlinie Stilldauer und Interventionen zur Stillförderung entwickelt. Auf der Basis dieser Inhalte sollen relevante Berufsgruppen in Aus-, Fort- und Weiterbildung notwendige Kenntnisse zum Stillen erhalten. Dafür werden Curricula analysiert und entsprechend der Leitlinieninhalte angepasst. Für das SF Systematisches Stillmonitoring wurde am Institut für Kinderernährung ein eigener Forschungsbereich etabliert. Weitere Maßnahmen betreffen eine stillfreundlichere Gestaltung von Rahmenbedingungen in Kommunen und im Arbeitsumfeld sowie Versorgungsstrukturen für niedrigschwellige und bedarfsgerechte Leistungen der Stillberatung, und nehmen die Vorschriften zur Vermarktung von Muttermilchersatzprodukten in den Blick. Derzeit befinden sich die einzelnen SF in einem sukzessiven Aufbauprozess für die Umsetzung. Die Kommunikation der NaSt als Querschnittsaufgabe übernimmt das Netzwerk Gesund ins Leben im Bundeszentrum für Ernährung.

Zusammenfassung:
Die NaSt bildet die Basis für eine nachhaltige Verbesserung der Stillförderung in Deutschland. Sie soll durch die Maßnahmen aus den unterschiedlichen SF das Stillen in Deutschland kurz-, mittel- und langfristig fördern.

Literatur
[1] Brettschneider AK, von der Lippe E, Lange C: Stillverhalten in Deutschland – Neues aus KiGGS Welle 2. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz 61 (8), 920-925, 2018
[2] Netzwerk Gesund ins Leben: Becoming Breastfeeding Friendly – (Faktenblatt) So wird Deutschland stillfreundlich, 2019, Abrufbar unter: https://www.gesund-ins-leben.de/_data/files/bbf_faktenblatt_ergebnisse.pdf (Zugriff: 14.11.2022)
[3] Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft: Nationale Strategie zur Stillförderung, 2021, Abrufbar unter: https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/DE/Broschueren/nationale-stillstrategie.pdf?__blob=publicationFile&v=3 (Zugriff: 14.11.2022)

Handlungsfeld: 
Autor*innen: Veronika Bujny, Stephanie Hahn-Schaffarczyk, Natalie Luke, Susanne Pfender, Hilke Schauland, Heike Schiffling, Gaby Schmidt

In Deutschland gibt es kein aktuelles Personalbemessungsinstrument für die Hebammen im Kreißsaal, das den Eins-zu-eins-Betreuungsschlüssel impliziert. Im Poster ist die Entwicklung einer allgemein anwendbaren realistischen Berechnung des Personalbedarfs unter Berücksichtigung der Arbeit nach der S3 Leitlinie „Vaginale Geburt am Termin“ dargestellt. Es wurde der Betreuungsschlüssel von 1 VK Hebamme : 60 Gebärenden pro Jahr ermittelt. Im LoPH-Rechner kann die Anzahl der Hebammen mit individualen Anpassungsmöglichkeiten durch die Kliniken berechnet werden.